„Fallout“: Die neue Prime-Serie macht so ziemlich alles richtig

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Fallout, Serie, Ella Purnell als Lucy
©2024 Amazon Content Services LLC

Die neue „Fallout“-Serie gibt es ab sofort exklusiv bei Amazon Prime Video und das Ergebnis ist fast auf ganzer Linie überzeugend. Nicht nur Kenner der Spielereihe dürften hieran ihre Freude haben.

Seit dem 11. April gibt es die neue „Fallout“-Serie exklusiv bei Amazon Prime Video. Dabei werden die einzelnen Episoden nicht im Wochenrhythmus veröffentlicht, wie es sonst bei Prime üblich ist. Stattdessen sind gleich von Anfang alle acht Folgen der ersten Staffel komplett auf dem Streamingdienst verfügbar. Und was soll man sagen: Diese acht Episoden sind von vorne bis hinten ein packendes Erlebnis, das sowohl Liebhaber der Spielereihe zutiefst befriedigen sollte, als auch Neueinsteiger mit diesem faszinierenden Universum zu fesseln vermag.

„Fallout“ zieht von Beginn an in seinen Bann

Fallout Serie, Kyl MacLachlan
©2024 Amazon Content Services LLC – Eine Menge Verschwörungen durchziehen die Welt von „Fallout“ – Was ist eigentlich mit Lucys Vater Henry (Kyle Mac Lachlan)

Schon der Serien-Einstieg in der allerersten Episode zieht sofort mit und berührt bereits nach wenigen Minuten mit den ebenso verzweifelten wie sinnlosen Versuchen eines Vaters (Walton Goggins), mit seiner kleinen Tochter auf einem Pferd gleich vier Atombombenexplosionen gleichzeitig zu entfliehen, die nur wenige Kilometer entfernt einschlagen. Dann kommt ein Zeitsprung über 200 Jahre in die Zukunft in eine verheerte, zerstörte, postapokalyptische USA.

In dieser Zukunft geht es mit Lucy MacLean (Ella Purnell) weiter, die in einer Vault wohnt. Eine Vault ist quasi ein gigantischer Atomschutzbunker unter der Erde, der eine ganze Gemeinschaft beherbergen und über Jahrhunderte mit allen nötigen Ressourcen versorgen kann. Dort führt Lucy ein leistungsbezogenes, aber braves und gesichertes Leben. Niemand innerhalb der Vault scheint zu wissen, was an der Erdoberfläche vor sich geht, bis eine Räuberbande (die sogenannten Raiders) von außerhalb die Bunkeranlage überfallen, fast alle Einwohner grausam ermorden und Lucys Vater Henry (Kyle MacLachlan) entführen. Die Raider-Anführerin Lee Moldaver (Sarita Choudhury) scheint Henry zu kennen und etwas ganz Spezielles von ihm zu wollen. Als eine der wenigen Überlebenden des Überfalls beschließt Lucy, an die Oberfläche zu gehen und ihren Vater aus Moldavers Fängen zu befreien. Natürlich ist sie in keinster Weise auf die Schrecken in der Welt da draußen vorbereitet.

Von Ghulen und Stahlrittern

Fallout, Serie, Ghul
©2024 Amazon Content Services LLC – Als Ghul hat er bereits über 200 Jahre auf dem Buckel, doch er (Walton Goggins) weiß auch, wie die Welt vor der Atomkatastrophe war

An anderer Stelle ersteht ein kaltblütiger Ghul aus dem Grab wieder auf, um sich einer hochdotierten Kopfgeldjagd zu widmen. Es handelt sich um niemand anderen als den Vater vom Anfang der ersten Episode, der mit seiner Tochter vor den Atombenexplosionen erfolglos fliehen wollte, gespielt von Walton Goggins („The Hateful Eight“). Die extreme Verstrahlung hat aus dem einstigen Hollywood-Schauspieler ein mutiertes Ghul-Wesen gemacht, das zwar die Jahrhunderte überdauern und mit wenigen herkömmlichen Mitteln getötet werden kann (außer einem Kopfschuss), dafür aber ohne ein entsprechendes Serum, das regelmäßig eingenommen werden muss, zum hirnlosen Zombie verkommt.

Der dritte Protagonist ist Maximus (Aaron Moten), der bei der sogenannten stählernen Bruderschaft zum Ritter aufsteigen will. Letztere dürfen eine besondere Rüstung tragen, die einen zwar sehr träge macht, aber nahezu allen Schaden abwehren kann. Nun wurde Maximus zum Knappen des Ritters Titus ernannt. Die beiden haben von der militaristischen wie fanatisch religiösen Brotherhood of Steel die Mission erhalten, eine Zielperson zu finden, die ein mysteriöses Artefakt besitzt, das das Schicksal der gesamten Menschheit retten oder verheeren könnte – je nachdem, wer es in die Hände bekommt. Auf diese Zielperson wurde zudem ein Kopfgeld ausgesetzt, das auch der besagte Ghul (Goggins) einsacken will.

Fallout Serie, Brotherhood of Steel
©2024 Amazon Content Services LLC – Die stählerne Bruderschaft strebt nach Macht über das gesamte Ödland

All diese Handlungsstränge verflechten sich recht zügig im Laufe der Handlung in- und miteinander. Aber auch in der Vault 33, die Lucy verlassen hat, bauen die Überlebenden ihre Gemeinschaft wieder auf, doch schlummert hier ebenso ein dunkles Geheimnis hinter der Fassade, das Lucys Bruder Norm (Moises Arias) unbedingt entschlüsseln will.

Der „Fallout“-Serie gelingt ein verblüffend sauberer Balance-Akt

Die neue „Fallout“-Serie schafft das Kunststück, in vielerlei Hinsicht stabil auf einem schmalen Grat zu balancieren. Bitterböse Grausamkeiten stehen hier Tür an Tür neben einer teils amüsant albernen, oft sehr zynischen Satire. Ebenso kann die Serie in fließendem Übergang eine berührende Tragik auffahren, die teils unerwartet emotional ist. Das alles wird eingebettet in die grandios umgesetzte 1950er-Retro-Science-Fiction-Ästhetik. Nicht zu vergessen ist dabei der tolle Soundtrack mit all der Doris-Day- und Johnny-Cash-mäßigen US-Populärmusik der 1940er und 1950er.

Fallout, Serie, diverse Charaktere
©2024 Amazon Content Services LLC – Lucy (ganz links) ist an der ihr unbekannten Oberfläche zunächst völlig überfordert

Neben der gelungenen Ästhetik, die von dem über Jahrzehnte ausgefeilten Stil der Spielereihe profitiert, überzeugt auch die spannend und dynamisch geschriebene Geschichte. Es gibt viele starke Szenen, auch wenn vielleicht nicht jeder einzelne Aspekt gleichsam mitreißt. Denn die erste Staffel hat durchaus an der ein oder anderen Stelle ihre Längen. Die sonst so hohe Erzählgeschwindigkeit wird aber erfreulicherweise nur selten ausgebremst. Die meiste Zeit trumpft das Drehbuch mit immer wieder neuen, überraschenden Ideen auf – wie zum Beispiel mit einem überhöflichen Medizinroboter, der doch einfach nur ein paar Organe entnehmen will (tut ohne Anästhesie auch bestimmt gar nicht weh).

Es ist erstaunlich, wie leichtfüßig es der Serie gelingt, zwischen entwaffnend albernem Humor, bitterböser Satire, verstörenden Grausamkeiten und teils berührender Tragik hin und her zu wechseln und manchmal sogar alles gleichzeitig in einer Szene abzuliefern. Auch die Schauspieler müssen hier gelobt werden und insbesondere die Hauptdarsteller Ella Purnell und Walton Goggins, die ihren beiden Charakteren wunderbar vielseitige Facetten verleihen. Eindimensional ist definitiv etwas anderes.

Für Serien- und „Fallout“-Liebhaber

Fallout, Serie, Vault Dweller
©2024 Amazon Content Services LLC – Wer die Spiele gespielt hat, wird sich in der Serie sofort zuhause fühlen

Zum Schluss sei nochmal erwähnt, dass auch Kenner und Liebhaber der „Fallout“-Spiele (vor allem jener 3D-Rollenspiele von Bethesda) wunderbar von der Serie abgeholt werden. Deren innere Rollenspiellogik wird herrlich organisch in die Story und die Charaktere eingewoben, ohne dabei in zu nerdigen Fanservice abzudriften. Kleinere Logiklücken in der Serienhandlung können auf diese Weise sogar lässig riskiert und mitgeschleppt werden, da sie auf teils clevere Weise den Spielemechaniken entlehnt sind, ohne dass es Nichtspielern groß auffallen sollte.

Es gibt für Kenner der Spiele also permanent diverse Anspielungen und Massen an bekannnten Elementen. Wer mit den Spielen von Bethesda nicht vertraut ist, den sollte das aber keinesfalls stören, da sich all diese Elemente auf ganz natürliche Weise in die Serienwelt integrieren. Dabei steht fast jederzeit eine filmreife Spannungskurve an erster Stelle steht: Chapeau für diese gelungene Gratwanderung

Wer also einen Hauch Interesse für postapokalyptische Szenarien und düstere, satirische Sciene Fiction mitbringt, dem sei die neue „Fallout“-Serie wärmstens empfohlen. Fragt sich nur, wie lange es jetzt noch dauern wird, bis Staffel 2 erscheint (hoffentlich nicht allzu lange).

50 Kommentare im Forum
  1. Versuchen wir deshalb den Mars als neue Wohnstätte zu erkunden, anstatt all das Geld in die Rettung der Welt zu stecken?
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