Pläne für die gemeinsame Mediathek von Pro Sieben Sat 1 und RTL beschäftigen das Bundeskartellamt in Bonn. Die Medienhüter wollen der Wettbewerbsbehörde in Brüssel das Verfahren aus der Hand nehmen und selbst über das Projekt entscheiden.
Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Focus“ (Montagsausgabe) sagte der Präsident der Wettbewerbsbehörde, Andreas Mundt, er wolle das gemeinsame Internet-Projekt der deutschen Privatsender im Rahmen der Fusionskontrolle prüfen. RTL und Pro Sieben Sat 1 hatten Anfang August den Aufbau eines Gemeinschaftsunternehmens für den Betrieb einer offenen technischen Plattform zum zeitversetzten Abruf von TV-Inhalten im Internet bestätigt (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).
Das Prüfverfahren fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der EU-Kommission, weil der Umsatz beider Unternehmen eine bestimmte Grenze überschreitet. Zuständig wäre im konkreten Fall die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Union in Brüssel. Das Bundeskartellamt habe jedoch beantragt, den Fall nach Deutschland zu verweisen, so Mundt in „Focus“. Brüssel werde bis zum 24. September darüber entscheiden.
Das Angebot des Joint-Ventures von Pro Sieben Sat 1 und RTLrichtet sich an private und öffentlich-rechtliche TV-Sender aus Deutschland und Österreich. Mit der Plattform soll den teilnehmenden Anbietern ermöglicht werden, den Internetnutzern ihre Inhalte wie vollständige Serien, Filme, Shows oder Nachrichtensendungen in einem zentralen Angebot im Internet zur Verfügung zu stellen und individuell in einem eigenen Angebotsbereich auf der Plattform zu präsentieren. Archivierungen auf dem PC oder Aufzeichnungen sollen hingegen nicht unterstützt werden.
Alle Inhalte werden nach derzeitigen Planungen für die Internetnutzer sieben Tage nach der Ausstrahlung im Fernsehen kostenlos als Stream abrufbar sein. Die Vermarktung der Inhalte obliegt weiterhin allein dem jeweiligen TV-Sender. Für den laufenden Betrieb der Plattform nach Vorbild des US-amerikanischen Hulu planen RTL Interactive und Pro Sieben Sat 1 Media die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft, die den teilnehmenden Sendern die zur Nutzung einer solchen Plattform nötigen technischen Dienstleistungen wie z. B. Hosting und Streaming zur Verfügung stellt.
Der Tätigkeitsbereich des Gemeinschaftsunternehmens wird damit ausschließlich in der technischen Bereitstellung der Plattform bestehen, betonten die Partner im Vorgriff auf kartellrechtliche Probleme. Die sendereigenen Angebotsbereiche auf der Plattform sollen durch die TV-Sender jeweils selbständig redaktionell betreut und vermarktet werden, hieß es. Das Gemeinschaftsunternehmen wird von den jeweiligen TV-Sendern für die Inanspruchnahme der technischen Infrastruktur und Dienstleistungen vergütet. Es werde von den Gesellschaftern organisatorisch unabhängig sein, so RTL und Pro Sieben Sat 1.
Aktuell vermarktet Pro Sieben Sat 1 seine Inhalte im Internet auf der gemeinsam mit United Internet betriebenen Plattform Maxdome, RTL setzt auf seine Mediathek RTL Now, die einen Teil der Inhalte kostenfrei, andere wiederum gegen Abrufgebühren bereitstellt. Auch ARD und ZDF verfolgen im Internet bislang keinen gemeinsamen Ansatz, sondern treten mit jeweils eigenständig entwickelten Mediatheken auf. [ar]
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