Leipzig – Über die weitere Entwicklung von Internetfernsehen (IPTV) sprach DIGITAL FERNSEHEN mit Prof. Jens Böcker, Professor im Fachbereich Wirtschaft an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg.
„IPTV gehört zu den wichtigsten Angeboten von Telekommunikationsanbietern und es wird sich als zentraler Bestandteil des zukünftigen Produktportfolios etablieren“, so Prof. Böcker. „Allerdings wird sich der Erfolg nicht automatisch einstellen, sondern muss intensiv erarbeitet werden. IPTV ist „noch“ kein Selbstläufer“.
DIGITAL FERNSEHEN: Die Management-Beratung Detecon, ein Tochterunternehmen der T-Systems, der Geschäftskundenmarke der Deutschen Telekom, prognostiziert bis zum Jahr 2013 mehr als fünf Millionen IPTV-Nutzer. Ist diese Prognose aus Ihrer Sicht berechtigt?
Jens Böcker: IPTV gehört zu den wichtigsten Angeboten von Telekommunikationsanbietern und es wird sich als zentraler Bestandteil des zukünftigen Produktportfolios etablieren. Die Teilnehmerzahl halte ich für realistisch. Allerdings wird sich der Erfolg nicht automatisch einstellen, sondern muss intensiv erarbeitet werden. IPTV ist „noch“ kein Selbstläufer. Voraussetzung ist eine klare Nutzenargumentation für den Kunden: „Was bringt IPTV und welchen Vorteil habe ich gegenüber anderen (z.B. Kabel)-Angeboten?“
DF: Begrüßen Sie den prognostizierten Nutzeranstieg von IPTV? Wenn ja, warum?
Böcker: Telekommunikationsanbieter sind auf der Suche nach neuen Umsatzpotentialen. Mit der klassischen Sprachkommunikation im Fest- und Mobilfunknetz lässt sich immer weniger verdienen. Die Flatrate hat sich hier zum Margenkiller entwickelt. Vor diesem Hintergrund sind neue Services und Geschäftsmodelle gefragt. Das wichtigste heißt derzeit IPTV.
DF: Wo liegt aus Ihrer Sicht der Mehrwert von IPTV gegenüber digitalem Fernsehen über Kabel (DVB-C) oder Satellit (DVB-S)?
Böcker: Das Angebot ist aus Kundensicht zunächst vergleichbar, weil die drei Kernbereiche Internet, Telephonie und Fernsehen in einem integrierten Paketangebot zusammengefasst werden. Die vierte Komponente Mobilfunk wird absehbar ebenfalls Bestandteil dieses Paketangebotes werden.
Der Vorteil für die Telekommunikationsanbieter liegt im Punkt Interaktivität mit dem Nutzer und sinnvollen Zusatzfunktionen (z.B. die Pausetaste). Darüber hinaus kommt noch ein wichtiger Mehrwert. Der Markenname und die Markenwahrnehmung der Telekommunikationsanbieter (Deutsche Telekom, Vodafone etc.) sind derzeit noch deutlich stärker als die der Kabelnetzbetreiber. Gerade in einem sich verändernden Markt- und Wettbewerbsumfeld und einem neu gestalteten Produktportfolio geben Marken dem Kunden Orientierung und Sicherheit bei seiner Investitionsentscheidung.
DF: Was können die Kabelnetzbetreiber und Anbieter von Satellitenfernsehen tun, um diesen Mehrwert zu kompensieren?
Böcker: Gezielt in das Branding investieren und die Möglichkeit des Angebotes von Zusatzfunktionen prüfen. Die Kabelnetzbetreiber und Anbieter von Satellitenfernsehen haben den großen Vorteil, dass sie im Punkt Zuverlässigkeit ausgesprochen positiv wahrgenommen werden. Fernsehen funktioniert „immer“. Dieses Image wird auch auf die neuen Leistungsbestandteile Telephonie und Internet übertragen. Das ist in dem sich verschärfenden Wettbewerb mit den Telekommunikationsanbietern ein wichtiger – wenn auch vor allem subjektiv empfundener – Leistungsvorteil.
DF: Im März senkte T-Home – vorerst befristet bis zum 30. Juni – die Preise für sein IPTV-Angebot „Entertain“ um zehn Prozent. Wie werden sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren die Kosten für IPTV entwickeln?
Böcker: Der Preisschritt ist ein richtiger Schritt zur konsequenten Erschließung des IPTV-Marktes. Hier geht es schließlich um ein Massenprodukt für den Massenmarkt. Es ist davon auszugehen, dass Kunden auf Preissenkungen sensibel – d.h. positiv – reagieren werden.
Das aktuelle Angebot wird damit deutlich attraktiver und der Preisabstand zu den Kabelnetzbetreibern wird sich etwas reduzieren. Allerdings muss sich zeigen, wie auf diese Preissenkung der Markt insgesamt reagiert. Eine Preisspirale nach unten wäre angesichts der anstehenden Investitionen in die Infrastruktur genau das falsche Signal für alle Marktteilnehmer.
DF: Werden bei steigender Kundenanzahl die Kosten für das Produkt IPTV sinken?
Böcker: Ich gehe davon aus, dass sich Skaleneffekte deutlich bemerkbar machen werden.
DF: Herr Prof. Böcker, vielen Dank für das Gespräch. [ar]
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