„365 Days“: Netflix nimmt polnischen Softporno ins Programm

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„Ich werde dich f***en, dass man deine Schreie bis nach Warschau hört.“ – Wer dachte, „Fifty Shades of Grey“ wäre schon alles gewesen, der wird bei Netflix mit solchen Dialogzeilen eines Besseren belehrt. In der neuen Erotik-Romanze „365 Days“ geht es wieder mal in den SM-Keller.

Ohne großes Vorspiel liegt die Protagonistin des Films, Laura, in Ketten auf der Matratze. Die Arme gefesselt, zwischen den Beinen hängt eine metallene Spreizstange. Bis es in der „Fifty Shades of Grey“-Reihe zu solchen Szenen kam, vergingen noch schier endlose Minuten und Stunden voller Diskussionen und peinlicher Dialogzeilen. Bei „365 Days“ geht alles ein wenig schneller und rabiater zur Sache. Inzwischen ist es eben anscheinend keine große Sache mehr, wenn sich junge, attraktive Frauen ihren psychopathischen Peinigern ausliefern. Warum auch? Ein schmachtendes Publikum lässt sich ja bekanntlich auch für solche Stoffe finden. Wie SM-Sex eigentlich fernab eines Missbrauchs funktionieren kann, damit setzt man sich in der Branche eh selten auseinander.

Nach dem Sensationserfolg von „Fifty Shades“ erschienen besonders auf dem Literaturmarkt zahllose Trittbrettfahrer, die auf der Welle des plötzlichen Sado-Maso-Hypes mitschwimmen wollten. Mehrere Verfilmungen folgten oder sind in Arbeit. Bei „365 Days“ handelt es sich nun um einen weiteren Abklatsch der Reihe aus Polen. Frischer Wind für den Stoff? Fehlanzeige!

Stockholm-Syndrom in Italien

Dabei hebt sich die Figurenzeichnung doch immerhin oberflächlich positiv von einigen anderen Vertretern der Peitsch-Romanzen ab. So ist die Protagonistin von „365 Days“ ausnahmsweise kein prüdes Mauerblümchen, das offenbar noch nie etwas von Sex gehört hat, sondern eine erfolgreiche, emanzipierte Karrierefrau, die offenbar genau weiß, was sie will, sowohl beruflich als auch privat. Doch was nützt das schon, wenn sich der gesamte Film dann (mal wieder) nur darum dreht, sie zu brechen und sexuell gefügig zu machen? Massimo, ein sizilianischer Mafiaboss ist besessen von ihr, lässt sie entführen und zwingt Laura, sich innerhalb eines Jahres in ihn zu verlieben. Was passiert, wenn nicht, das wird nicht so ganz deutlich, aber an der Darstellung ihrer Peinigerfigur lässt sich wohl ablesen, dass ihr ansonsten Käfighaltung und ewige Vergewaltigung drohen. Klingt so gar nicht heiß? Ist es auch nicht!

Nach „Fifty Shades of Grey“, „After Passion“ und Co. hat man es hier lediglich mit einer weiteren Missbrauchsgeschichte zu tun, die zur pseudo-romantischen Pornofantasie stilisiert wurde. So soll Massimo natürlich keinesfalls als Krimineller wahrgenommen werden, immerhin ist er reich und sieht sehr gut aus. Bemerkenswert ist, dass dann die Sexszenen in dieser Romanverfilmung im Gegensatz zu seinen Vorbildern durchaus mit einer gewissen drastischen Konsequenz inszeniert sind und nicht wieder nur zu Beyoncé im Takt zugehauen wird, wie man es aus „Fifty Shades“ kennt. Nun denn, besser wird der Film dadurch trotzdem nicht.

Alles ist Porno

„365 Days“ gehört zu einer Unart des gegenwärtigen Romantikkinos, das sich in seiner Gefühlskälte lediglich dem Materiellen und Pornografischen zuwendet. Selbst abseits der Sexszenen geht es hier nur darum, möglichst viele, halbnackte und durchtrainierte Körper zu präsentieren. Alle Figuren, vom Dienstmädchen bis zum Friseur, sehen aus wie Models aus dem Playboy-Magazin. Die Räumlichkeiten am besten mit Nebel vollgeräuchert, damit das Neonlicht besonders dramatisch zur Geltung kommt. Alles ist künstlich, alles steril, von Erotik keine Spur. Dazwischen Yachten, schicke Klamotten, Markenterror aus der Konsumhölle, schwelgerische Luxus-Montagen wie aus einer Folge von den „Geissens“. Viel zu bereden gibt es zwischen der Kopulation eh nicht, außer Fragen wie: Willst du ihn anfassen? Nein? Ganz sicher nicht?

Irgendwann muss dann noch geheiratet werden in dieser verblendeten Filmwelt. So offenherzig ist man bei all dem Sex dann doch nicht, dass man sich ein anderes Beziehungsmodell vorstellen könnte. Kurzzeitig kommt so etwas wie ein dramatischer Konflikt zustande, den „365 Days“ schließlich wie den Gordischen Knoten zerschlägt. Wie man sich hier am Ende mit einem geschmacklosen Cliffhanger aus der Reserve zieht, ist noch menschenverachtender als die anderthalb Stunden zuvor.

„365 Days“ ist seit dem 8. Juni bei Netflix zum Streamen verfügbar. Die Romanvorlage der Autorin Blanka Lipińska umfasst derzeit drei Bände.

12 Kommentare im Forum
  1. Jetzt fängt der nächste mit Pornos an. Läuft überhaupt noch was ohne Pornos? Es ist schon eine Seuche.
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