„Zwei zu Eins“: Sehenswerte Wende-Komödie mit Sandra Hüller

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Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld und Max Riemelt
Foto: X Verleih AG/Peter Hartwig

Der deutsche Film „Zwei zu Eins“ erzählt die Wiedervereinigung als gewitzte Gaunergeschichte. Sandra Hüller spielt eine der Hauptrollen.

Tief unter der Erde, zwischen alten Schächten und Gängen lauert ein weiteres Sinnbild der Geschichte. Ein verrottender Berg an Geldscheinen wurde dort aufgeschichtet und dient „Zwei zu Eins“ als Ausgangspunkt eines besonderen Blicks auf die deutsch-deutsche Vergangenheit. Das Geld ist nur noch Papier; das Fetischobjekt wurde seines Wertes beraubt. In der Nähe von Halberstadt hat man Millionen D-Mark eingelagert, um sie in Vergessenheit geraten zu lassen. Ein Schatz der untergegangenen DDR, die man nebst aller Relikte für immer den Historienbüchern überlassen wollte.

Doch so ist das mit den Schätzen: Sie wollen gefunden und geborgen werden, sofern sie nicht bloß als reine Legende gelten wollen. Genau davon handelt „Zwei zu Eins“ und adaptiert so eine wahre Kriminalgeschichte. Natja Brunckhorst, einst bekannt geworden als Christiane F. in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, hat den Film geschrieben und inszeniert und lässt drei Freunde über den Schatz stolpern, die das Geld nur allzu gut gebrauchen können.

Darum geht es in „Zwei zu Eins“

Maren (Sandra Hüller), Robert (Max Riemelt) und Volker (Ronald Zehrfeld) dringen in die unterirdischen Gewölbe ein und finden die versteckten Moneten im Sommer 1990. Während die Währungsunion im vollen Gange ist und der Anschluss der DDR an die Bundesrepublik vollzogen werden soll, schaufeln die genannten Vertreter der „einfachen“ Bevölkerung schon bald die Scheine in ihre Rucksäcke, um das verfallende Geld in Wohlstand zu verwandeln.

Immer mehr Menschen werden schließlich in die Gaunerei eingeweiht, während die Verkäufer aus dem Westen regelmäßig an der Tür klingeln, um ihre Waren an den Mann und an die Frau zu bringen. Man verleibt sich das finanzielle Volkseigentum von einst ein, lernt, nach dem eigenen Vorteil zu denken und entwickelt ein ausgebufftes Geldwäschekonzept, um sich dem übergreifenden Kapitalismus in den Weg zu stellen. Nur, ist man dessen Regeln und Kräften wirklich gewachsen?

Ursula Werner in "Zwei zu Eins"
Foto: X Verleih AG/ Peter Hartwig

Ein Blick auf den Wendesommer 1990

Die flirrende Hitze des Sommers, eine Zeitspanne, in der das Leben eine gewisse Trägheit angenommen hat, während die Verwerfungen und Umbrüche im Hintergrund das Ungewisse und Beängstigende aufziehen lassen, sind eine ganz wunderbare Atmosphäre, in der dieser Film schwelgt. Sie erlaubt das Eintauchen in eine Stimmung, die plötzlich auszuloten beginnt, mit welchen althergebrachten Regeln sie brechen, welche Provokationen sie sich etwa im Umgang mit den Ordnungshütern von einst erlauben darf. Und sie eröffnet natürlich auch einen Experimentierraum für das Kino. Es muss sich unentwegt die Frage stellen, mit welchen Mitteln es noch auf die Vergangenheit schauen kann, um Konflikte der Gegenwart besser begreifen zu können.

Lange Zeit hat man sich dabei mit Ostalgie-Komödien, nostalgischen Rückbesinnungen oder trübseligen Schauermärchen über die DDR begnügt, um das vermeintliche Emporklettern auf eine neue, bessere Stufe durch den Siegeszug des westlichen Kapitalismus zu zelebrieren. Inzwischen hat sich der Wind gedreht, gewinnen künstlerische, journalistische und wissenschaftliche Auseinandersetzungen an Bedeutung, die sich um ein differenzierteres Bild der Wiedervereinigung bemühen. Dazu gehört unter anderem Dirk Oschmanns kontroverse Polemik „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ über die Stigmatisierung und Fremdzuschreibungen des Ostens durch den Westen. Und dazu gehört ebenso der jüngste Schlichtungsversuch „Ungleich vereint“ von Steffen Mau, der in der aufgeheizten Debatte sich verfestigende Unterschiede und Abweichungen innerhalb und zwischen deutschen Bevölkerungsgruppen in Ost und West herausarbeitet.

Gartenszene in "Zwei zu Eins"
Foto: X Verleih AG/ Peter Hartwig

Neues filmisches Nachdenken über die DDR

Ein Kinofilm wie „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ hatte vergangenes Jahr (ebenfalls im Wendesommer 1990 als Schauplatz und Zeitraum) mit eindringlichen Bildern von den Traumata und Konflikten, aber auch dem Begehren in sozialen Beziehungen erzählt, die sich mit der Wiedervereinigung neu formieren. Überhaupt, Wiedervereinigung: Der Begriff steht längst auf dem kritischen Prüfstand. „Zwei zu Eins“ von Natja Brunckhorst findet jedenfalls einen weiteren originellen Weg, mit den Mitteln des Gangster- und Ganovenkinos an die beschriebenen Diskurse anzuknüpfen.

Ein pointierter, in Grauzonen umherstreifender Film ist das, der seine heitere Stimmung fortwährend in das drückende Gefühl der Ohnmacht gleiten lässt. Erst lernt man die Regeln des Kapitalismus und versucht, die eigenen Methoden gegen ihn auszuspielen, dann offenbart sich plötzlich das ganze Bild, denn auch dieser Sommer wird ein Ende haben. Die Entwertung und Abwertung ganzer Biographien und Lebenswürfe, der Verlust von Existenzen und Arbeitsplätzen, der Kahlschlag und die Privatisierungen der Betriebe auf dem Gebiet der ehemaligen DDR kehrt „Zwei zu Eins“ als brisantes Momentum hervor, dessen Unmut bekanntlich bis in die Gegenwart politischer Radikalisierungen reicht. Nichts von einst soll noch von Bedeutung sein, Lebensleistungen sollen in der neuen Welt, die das Jahr 1990 beschwört, von anderen vereinnahmt werden. Insofern ist Brunckhorsts Film zweifellos ein sehenswerter Debattenbeitrag, der tradierten Erfahrungen Bilder und Stimmen leiht.

Sandra Hüller in "Zwei zu Eins"
Foto: X Verleih AG/ Peter Hartwig

„Zwei zu Eins“ schwächelt in der zweiten Hälfte

Die Autorin und Regisseurin findet eine erstaunlich unbeschwerte, mitreißende Form für ein zunächst vielleicht trocken anmutendes ökonomisches Thema. Schade nur, dass er sein Experimentierfeld, das zunächst unterhaltsam zwischen Genres changiert, irgendwann zugunsten so konventioneller Dramenszenen verlässt. Insofern ist „Zwei zu Eins“ vielleicht doch nicht der erhoffte frische Wind im deutschen Geschichtskino, sondern bleibt eher ein frisches Lüftchen. Besonders die amouröse Dreiecksgeschichte zwischen den Hauptfiguren drängt dort immer wieder in den Vordergrund. Sie will sich zwar ebenfalls in einen Teil des Sinnbildes einer Vereinigung oder Aufspaltung verwandeln, lamentiert aber allzu ermüdend dahin.

Wahrscheinlich gehört auch das zu der unbequemen Realität, auf die „Zwei zu Eins“ verweist: Dass man einem breiten Publikum eine Auseinandersetzung mit solchen Themen nicht ohne weiteres zumuten will, um das Geld in die Kassen zu spülen. Dass eine erzählerische Ökonomie und künstlerische Warenförmigkeit plötzlich so transparent und berechnend ans Tageslicht drängt. Offensichtlich glaubt man immer noch, den Zuschauern rettende Anker mit solchen herkömmlichen Erzählmustern und Gefühligkeiten anbieten zu müssen, um die Dringlichkeit des Gegenstandes vermitteln zu können.

„Zwei zu Eins“ läuft seit dem 25. Juli 2024 in den deutschen Kinos.

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