Ein Kultregisseur wird 80: Woody Allen beleuchtet in seinen Filmen auch heute noch das Andere, Verrückte. Aber vor allem: Das Leben, das auch seins hätte sein können. Und auch im hohen Alter versiegt seine Kreativität nicht, wie Filme im Jahresrhythmus und Pläne für eine Serie zeigen.
Vielleicht ist Woody Allen der Loriot Hollywoods. Der Mann, der Millionen Menschen gar nicht so oft zum lauten Lachen, aber zum Schmunzeln, zum Lächeln und zum Nicken bringt. Dieses Nicken, als wenn man sagen würde, ja, genau so ist es. Dabei sind Woody Allens Filme eigentlich gar nicht das richtige Leben, bei ihm geht es immer um das andere, das abnormale, das verrückte – und damit vielleicht doch das richtige Leben. Jetzt (1. Dezember) wird der Mann, dessen Leben selbst verrückt ist wie einer seiner Filme, 80.
Woody Allen ist das fleischgewordene Klischee eines New Yorker Juden: schmächtig, gebildet, intellektuell, kreativ, voller Selbstzweifel und Melancholie, ja Depressionen. So spielt er seit mehr als einem halben Jahrhundert dieselbe Rolle, die des liebenswerten, aber glücklosen Verlierers, der sich eigentlich nur durch die Welt und das Leben kämpfen will. So eine Art Charlie Brown auf jüdisch. „Nebbish“ heißt so ein Pechvogel auf jiddisch, und die Figur Woody Allen ist das Abziehbild dafür.
Als dieser Woody Allen aufwuchs, hieß er noch Allan Stewart Konigsberg, und in seiner jüdisch-orthodoxen Familie wurde jiddisch und sogar ein bisschen deutsch gesprochen. „Meine Mutter sagte immer, dass ich ein ganz fröhliches Kind war, bis ich fünf wurde“, kokettierte er einmal mit seiner Kindheit, in der er schon zum Grübler geworden sei. Und in der Tat folgte er schon als junger Mann dem Klischee des New Yorker Intellektuellen und ging zum Psychoanalytiker. Er soll gleichzeitig Platzangst genau so wie Raumangst haben. Wie soll man da mit dem Leben klarkommen?
Aber es gibt ja eine Medizin: „Filmemachen ist eine gute Ablenkung von den Qualen des Lebens“, sagte der „Stadtneurotiker“ einmal, und produktiv und kreativ war er schon immer. Schon in der Schule schrieb er satirische Beiträge für Zeitungen, dann für das Fernsehen und für Komiker wie Bob Hope, und mit 30 gehörte er schon zu den bekanntesten Spaßmachern der USA, der pro Auftritt Tausende Dollar kassieren konnte. Wenn Allen mit der schwarzen Brille hinter dem Mikrofon stand, war da diese Unsicherheit, fast Ängstlichkeit vor dem Leben. Aber da waren nicht Witze, sondern Witz. Allen hielt eher Monologe und erfand die Maxime aller Stand-Up-Comedians: „Es ist lustig, weil es wahr ist.“ Was da in New York nach ihm kam, Jerry Seinfeld oder heute Louis C. K., das sind im Grunde die Kinder des Woody Allen.
Ach ja, Kinder. Mit seiner langjährigen Partnerin Mia Farrow adoptierte er einen Jungen und ein Mädchen, und Allen gilt als Vater von Farrows Sohn Satchel. Sie hatte noch das koreanische Findelkind Soon-Yi angenommen – und sorgte für Szenen, die selbst für einen Allen-Film zu verrückt wären. Allen verliebte sich in das 35 Jahre jüngere Mädchen, und als die Beziehung zu Farrow zerbrach, folgte nicht nur eine Schlammschlacht, sie warf ihm auch vor, dass er ihre Tochter Dylan missbraucht habe. Allerdings: Allen war nie mit dem Kind allein, und das Gericht befand, die Vorwürfe der Siebenjährigen seien einstudiert. Freispruch, aber Allens Image war dahin. Zumal er mit Farrows Adoptivtochter Soon-Yi zusammenzog und sie 1997 auch heiratete – er 61, sie 26. Beide adoptierten später zwei Mädchen und sind noch immer verheiratet.
Er fand, dass sei „mit das Beste, was mir je widerfahren ist“. Andere fanden das alles eher peinlich und die goldene Ära des Woody Allen, die Zeit, in der er Filmlegenden wie „Der Stadtneurotiker“ oder „Manhattan“, „Hannah und ihre Schwestern“ oder „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ schuf, sei vorbei. Dabei hat sich Allen eigentlich immer nur neu erfunden, ging nach Europa und drehte in Barcelona und in London und in Paris, da sogar mit Präsidentengattin Carla Bruni.
Und jetzt, mit 80, hat er sich noch einmal „zu viel vorgenommen“, wie er der „Berliner Zeitung“ sagte: eine Fernsehserie. Die soll er für Amazon produzieren, und sie sei „der Fluch meines Lebens“. Kein Wunder, es ist Allens erste Serie – nicht nur als Regisseur oder Schauspieler, die erste überhaupt: „Ich habe im Leben noch nie eine Fernsehserie gesehen und auch nicht vor, es zu tun.“
Denkt man mit 80 an den Tod? Woody Allen macht es schon seit Jahrzehnten. „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn’s passiert“, sagte er einmal. Zwar ist Allen schon jetzt eine Legende, aber auch da findet er ein Problem: „Neulich sagte jemand zu mir, dass ich in den Herzen meiner Landsleute weiterleben werde. Ich will aber in meinem Appartement weiterleben!“ [Chris Melzer/buhl]
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