Der Film zur Lage: Mit der Gesellschaftssatire „Willkommen bei den Hartmanns“ wirft Regisseur Simon Verhoeven einen ebenso kritischen wie humorvollen Blick auf die Flüchtlingskrise.
Spätsommer 2015 in München: Am Hauptbahnhof drängen sich Hunderttausende Flüchtlinge. Sie kommen mit Zügen aus dem Süden und freuen sich über ihre Ankunft im sicheren Deutschland. Die Münchner empfangen die Scharen mit Wasser, Proviant und Herzlichkeit. Doch die eigentliche Herausforderung steht erst bevor: Wie können diese vielen Menschen in den deutschen Alltag integriert werden? „Männerherzen“-Regisseur Simon Verhoeven hat diese Frage aufgegriffen und einen Film darüber gedreht. „Willkommen bei den Hartmanns“ ist eine vergnügliche Komödie über eine Familie, die einen Flüchtling bei sich Zuhause aufnimmt, im ganz normalen Familien-Wahnsinn – prominent besetzt mit Senta Berger, Heiner Lauterbach, Elyas M’Barek, Palina Rojinski und Florian David Fitz.
Wenn sich die Hartmanns nach langer Diskussion „ihren“ Flüchtling aussuchen, geht es zu wie beim Casting: Deutschland sucht den Superflüchtling. Nett soll er sein, zuverlässig, hilfsbereit und vor allem keine Großfamilie, die im wohlgeordneten Haushalt für Chaos sorgt. Die Wahl fällt auf den Nigerianer Diallo, verschmitzt und liebenswürdig gespielt von Eric Kabongo. Eine gute Entscheidung, wie sich bald herausstellt. Denn Diallo beruhigt nicht nur das schlechte Gewissen von Angelika Hartmann (Senta Berger), endlich auch in der Flüchtlingshilfe aktiv zu sein. Mit seiner freundlichen, lebensklugen Art versucht er, das Familienleben zusammenzuhalten. Denn Probleme haben sie allesamt.
Die pensionierte Lehrerin Angelika weiß nicht, wohin mit ihrer Fürsorge, seit die Kinder ausgezogen sind. Ihr Mann Richard fühlt sich wie 20 und lässt sich von dem Schönheitschirurgen Sascha (Uwe Ochsenknecht) die Falten wegspritzen. Sohn Philip (Florian David Fitz) jettet beruflich um die Welt und merkt nicht, wie sehr sein kleiner Sohn darunter leidet. Und Tochter Sophie (Rojinski) steckt in einer Sinnkrise, weil sie mit 31 nicht weiß, was sie beruflich machen will.
In diesem Chaos versucht Diallo, sich einzurichten, sich nützlich zu machen und nach den schrecklichen Erlebnissen in seiner Heimat Frieden zu finden. Die Gebräuche der Deutschen findet er seltsam, etwa dass Sophie in ihrem Alter keine Kinder hat oder dass sie und Philip es wagen, ihrem Vater Richard zu widersprechen. Diallo will die Studentin mit dem Klinikarzt Tarek Berger (M’Barek) verkuppeln. Der organisiert einen Lauftreff mit Flüchtlingen, hat allerdings bei Sophies Vater keine guten Karten.
Verhoeven nimmt die Befindlichkeiten der Familie und ihrer Umgebung aufs Schönste aufs Korn. „Willkommen bei den Hartmanns“ ist eine unterhaltsame Gesellschaftssatire mit wunderbaren Dialogen und treffenden Seitenhieben. Etwa auf wohlmeinende Menschen, die die Flüchtlinge am liebsten rund um die Uhr bemuttern würden und ihnen keine Selbstständigkeit zutrauen. Auch die „besorgten“ Pegida-Bürger werden durch den Kakao gezogen, wie sie mit Stammtischparolen und ihrer „Ja, aber…“-Mentalität den Rechten den Boden bereiten.
Der Film schert sich nicht um politische Korrektheit sondern regt vielmehr dazu an, sich dem politisch heiß diskutierten Thema Flüchtlinge unverkrampft und ohne Vorurteile zu nähern. Und er macht deutlich, dass es sich lohnt, die Neuankömmlinge als einzelne Menschen zu sehen und kennenzulernen, nicht als gesichtslose Masse der Fremden.
Das Schauspielerensemble spielt grandios, allen voran Senta Berger, der ihr Sohn Simon Verhoeven die Rolle auf den Leib geschrieben hat. Lauterbach gibt den eitlen Chefarzt, der prahlt: „Wir haben einen Flüchtling Zuhause, er benutzt dieselbe Dusche wie ich“, während Berger treffend kontert: „Nur, weil Sie sich einen Flüchtling angeschafft haben, heißt das nicht, dass sie den Rest der Welt scheiße behandeln dürfen“. Uwe Ochsenknecht ist der überspannte Frauenchecker, der am liebsten „chillaxt“ und den Münchner Nachtschönen die Brüste vergrößert hat. Wunderbar auch die Szene, in der Angelika Hartmann ihren Mitbewohner in die Bäckerei mitnimmt: „Das ist Diallo, unser Flüchtling.“ Und die Bäckerin: „Mei ist der liab!“.Kinokritiken im Überblick
[Cordula Dieckmann/buhl]
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