Kino, das ist Film auf großer Leinwand – und das seit Generationen. Künftig könnte das anders sein. Ein besseres Bild soll die Besucher vom Bruch mit der Tradition überzeugen. Betreiber hingegen sollen noch von einem ganz anderen Effekt profitieren können.
Es wäre ein Abschied vom Herzstück des Kinos – und zugleich soll es dessen Zukunft sein. Filmtheater, das ohne Leinwand und Projektor auskommt, könnte den Betreibern neue Möglichkeiten für die Nutzung ihrer Säle verschaffen. Zumindest, wenn es nach dem Hersteller Samsung geht, der die Technik entwickelt und jetzt erstmals in Deutschland vorgestellt hat.
Im „Traumpalast“ in Esslingen bei Stuttgart werden Filme künftig nicht mehr auf einen weißen Hintergrund projiziert, sondern laufen zumindest in einem der Säle auf einem knapp 56 Quadratmeter großen, von selbst leuchtenden LED-Screen. Der Hersteller nennt die Wand aus 26 Millionen Leuchtdioden ganz unbescheiden das „Kino der Zukunft“.
„Weit mehr als eine Million Euro“ haben „Traumpalast“-Betreiber Heinz Lochmann und Sohn Marius in die Neugestaltung ihres Kinosaals investiert. Etwa drei Wochen haben Entkernung und kompletter Neuaufbau gedauert, an Planung und Installation der LED-Wand waren nach Angaben der Firma auch Ingenieure aus der Samsung-Heimat Südkorea beteiligt. Bisher gebe es nur diese eine in Deutschland und einige wenige in Asien, den USA und in der Schweiz. Weitere seien aber in Arbeit, sagt Samsung-Manager Martin Groß.
Erwartungsgemäß wirbt der Technologiekonzern mit einem noch einmal deutlich besseren Bild im Vergleich zur aktuellen Projektionstechnik. Die Kinobetreiber will Samsung aber vor allem auch mit wirtschaftlichen Aspekten für sich gewinnen. „Denn das ist es, was für Kinobetreiber zählt“, ist sich Groß sicher. Kein Projektor bedeute: kein Vorführraum – und damit mehr Platz für mehr Kinosessel, dazu mehr Freiheit bei der Gestaltung des Saals und keine Folgekosten zum Beispiel für Ersatzteile für den Projektor.
Was so eine LED-Wand kostet, verrät Samsung zwar nicht. Das hänge stark vom Einzelfall ab, heißt es. Aber wer sie einmal habe, könne sie theoretisch elf Jahre lang Tag und Nacht laufen lassen – ohne weitere Kosten, abgesehen vom Strom natürlich.
Einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb wird wohl keiner anstreben. Grundsätzlich geht Groß aber schon davon aus, dass eine LED-Wand öfter laufen und damit helfen könne, einen Kinosaal besser auszulasten als bisher – mit Firmenevents, Präsentationen, Vorträgen, aber auch Computerspiel-Wettbewerben (eSports) mit Profi-Gamern und Publikum. Lauter Dinge, bei denen eine Großbild(lein)wand gebraucht wird, bei denen aber auch nebenbei Licht brennt und Leute vor dem Bild stehen oder im Saal herumlaufen. Das ist zumindest schwierig, wenn – wie bisher – alles dunkel sein muss und der Lichtstrahl des Projektors freie Bahn braucht.
Dass eine alternative Nutzung für viele Betreiber durchaus ein Thema, aber bei weitem noch kein ernstzunehmender Umsatzbringer ist, hatte der Hauptverband Deutscher Filmtheater schon in seiner 2015 vorgestellten „Kinobetriebsstudie“ festgestellt. Immerhin jeder zweite befragte Betreiber sagte aber auch damals schon, dass er das Angebot ausweiten wolle, um zusätzliche Einnahmequellen aufzutun.
Zumindest einen Teil der Investitionen sollen im „Traumpalast“ auch die normalen Besucher wieder hereinbringen. Zwei Euro Aufpreis kostet das Ticket für alle Filme, die im LED-Saal laufen. „Ich glaube, das ist gerechtfertigt und fair“, sagt Lochmann.
Jan Fröhlich ist überzeugt, dass die LED-Technik über kurz oder lang sogar die Filmbranche insgesamt verändern wird. Der deutlich stärkere Kontrast zum Beispiel ermögliche Aufnahmetechniken, die heute nicht genutzt würden, weil man sie im Kino gar nicht wiedergeben könne, sagt der Experte des Filmkamera-Anbieters Arri aus München. Die Folge: Bis das so weit sei, könne die LED-Technik ihre Vorteile auch gar nicht voll ausspielen. „Es gibt keinen einzigen Film, der dafür gemacht ist“, erklärt Fröhlich.
Ernsthaft in Gefahr sieht „Traumpalast“-Chef Lochmann die Zukunft des Kinos insgesamt nicht – sofern die Betreiber am Ball blieben und mit der Zeit gingen: „Wenn man das gut macht, dann hat man auch eine Chance.“
[Nico Esch]
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