„We need to talk about Kevin“: Drama über Amokläufer

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Wer den Roman „Wir müssen über Kevin reden“ kaum ertragen konnte, wird sich auch mit dem Film schwer tun. Und doch ist diese verstörende Studie einer völlig misslungenen Mutter-Kind-Beziehung absolut empfehlenswert – auch dank der überragenden Tilda Swinton.

Rot ist die dominierende Farbe in „We need to talk about Kevin“, Leere das beherrschende Motiv der Bildsprache. Da ist die rote Farbe an Evas Haus, den Scheiben ihres Autos. Und irgendwann ist auch Blut auf Evas weißer Bluse, ihren dünnen, hellhäutigen Händen – ihr Sohn Kevin ist an seiner Schule Amok gelaufen. „We need to talk about Kevin“ ist jedoch kein Horrorfilm über einen Amokläufer, sondern eine verstörende Studie über Schuld und Vergebung und das Tabuthema einer völlig dysfunktionalen Mutter-Kind-Beziehung, die in einer Katastrophe endet. Am Ende stellt Eva ihrem hasserfüllten Sohn nur eine einzige Frage „Warum?“. Sie bleibt aber unbeantwortet.
 
 
Eva (überragend gespielt von Tilda Swinton), eine erfolgreiche und weit gereiste Reisejournalistin, gibt ihren geliebten Beruf auf, um sich um ihr Kind zu kümmern, eine gute Mutter zu werden. Doch Kevin schreit und schreit, reagiert nicht auf ihre Stimme, ihre Liebkosungen. Einmal läuft sie mit dem schreienden Baby im Kinderwagen auf die Straßen New Yorks, stellt sich neben einen Presslufthammer, doch Kevins Geschrei dringt durch.

Kevin will nicht Mama sagen, ihr nicht den Ball zurückwerfen, oder auf ihre liebevollen Motivationsversuche eingehen. Stattdessen scheint dieser Junge schon als Baby boshaft, berechnend – seiner Mutter gegenüber und später auch seiner kleinen Schwester gegenüber.
 
Der liebevolle, stets gut gelaunte und ein wenig oberflächliche Feierabend- und Wochenend-Papa Franklin (John C. Reilly) tut die Probleme ab, entschuldigt das Verhalten damit, dass Kevin eben eine Junge ist. Zu ihm ist Kevin zugewandt und freundlich, selbst als Neugeborenes. Und schon da beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass dieses Baby die Mutter absichtlich quält. Warum es seine Mutter so hasst, ist eine der ungeklärten Fragen des Filmes.

Die schottische Regisseurin Lynne Ramsay erzählt diese Geschichte nach dem Roman von Lionel Shriver in verschachtelten Sequenzen, lässt den Zuschauer mal in die ersten Tage der verliebten Vergangenheit von Eva und Franklin blicken, dann in die Gegenwart, in der Eva alleine in einem schäbigen Haus wohnt, völlig isoliert, einen Aushilfsjob macht und Kevin (Ezra Miller) immer wieder im Gefängnis besucht.
 
Bei diesen Besuchen bleiben Mutter und Sohn meist sprachlos. Und Ramsay erzählt, wie Kevin zu einem Jugendlichen heranwächst, sich immer neue Gemeinheiten ausdenkt und Eva sich weiter um ein gutes Verhältnis bemüht. Ohne Erfolg, Mutter und Kind bleiben sich fremd. Kevin verachtet seine Mutter, Eva will ihr Kind lieben, doch es gelingt ihr nicht.
 
 
Ramsay nimmt sich Zeit, erzählt die Entwicklung provozierend langsam und ruhig in hypnotischen Bildern, was es für den Zuschauer fast unerträglich macht. Dabei ist egal, dass man von der ersten Sekunde an spürt, dass der Film in einem Schulmassaker endet, dass etwas Schreckliches passieren wird.
 
Die Regisseurin wählt ein riesiges, leeres Haus, in dem die Familie lebt, und schleppende Dialoge. Freunde, Nachbarn, Schulkameraden kommen in dem Familienleben nicht vor. Es herrscht eine bedrückende Leere.Kinokritiken im Überblick
[Britta Schmeis]

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