„Warfare“ startet heute: Einer der besten Kriegsfilme aller Zeiten

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Gefecht in "Warfare"
Foto: LEONINE Distribution

Der kontrovers diskutierte Kriegsfilm „Warfare“ kommt in die deutschen Kinos. Ein weiteres Meisterwerk von Alex Garland („Civil War“).

Ist das nun Propaganda für das Militär? Wird hier eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben? Ist es überhaupt vertretbar, einen Film über den Irakkrieg zu drehen, der dann aus der Sicht leidender amerikanischer Soldaten erzählt wird? „Warfare“ ist ein Film, bei dem schon vor Kinostart hitzig im Netz diskutiert wurde und zu dem offenbar viele bereits verhärtete Meinungen hatten, bevor sie ihn überhaupt sehen konnten. Sitzt man aber nun im Kino und sieht diesen herausragenden neuen Film von Regisseur Alex Garland und dem Kriegsveteranen Ray Mendoza, lösen sich viele Zweifel und Vorwürfe eigentlich schnell in Luft auf. Gerade die Kritik am vermeintlich Unpolitischen oder auch einer angeblichen Verklärung amerikanischer Kriegsgewalt muten rückblickend regelrecht albern an.

Kriegspropaganda im Kino?

Wer nach dem intensiven, abstoßenden Horror von „Warfare“ immer noch an das Gute oder auch nur das Notwendige dieses Krieges glaubt, dem ist wahrscheinlich ohnehin nicht mehr zu helfen. Das Dilemma der Perspektive bleibt natürlich zunächst erhalten. Ja, dieser Film ist aus der Sicht der Amerikaner erzählt. Es bleibt einem im Kino also eigentlich gar nichts anderes übrig, als sich mit ihnen zu identifizieren oder zumindest auseinanderzusetzen, weil die Kamera permanent so eng bei ihnen bleibt. Für manche scheint allein diese Tatsache der absolute Tabubruch zu sein.

Der Kniff des Films besteht jedoch darin, dass er zwar explizit im Irakkrieg verortet ist, aber dass der konkrete historische Hintergrund und das auftretende Personal für dieses Kunstwerk schnell überhaupt keine Rolle mehr spielen. Die rohe Gewalt tilgt ihre Bedeutung und Kontexte. „Warfare“ geht es um ganz grundlegende Wahrnehmungsmuster und Mechanismen in einem Krieg. Gerade in Zeiten der Aufrüstung und der sogenannten Kriegstüchtigkeit entwickelt sich daraus eine notwendige, eindringliche Warnung.

Jubelnde Soldaten in Warfare
Von der anfänglichen Euphorie bleibt im Krieg nichts übrig. Foto: © Real Time Situation LLC

„Warfare“ rekonstruiert Erinnerungen an einen Einsatz im Irakkrieg

Vielleicht war sogar das Anliegen, einen Film zu drehen, der auch ein Stück weit amerikanische Wunden heilen soll. Das heißt aber nicht automatisch, dass „Warfare“ dieses Unterfangen nicht zugleich wieder unterwandert und kritisch befragt. Der US-Navy-Veteran Mendoza hat hier seine Erinnerungen zur Verfügung gestellt, die quasi minutiös nachgestellt werden. Gezeigt wird, wie eine Gruppe amerikanischer Soldaten im Irak ein Wohnhaus besetzt. Die Familie nimmt man gefangen, das Haus wird zerstört und bald gruppieren sich Feinde ringsherum und versuchen, die fremden Navy Seals zu vertreiben und zu töten. Was in „Warfare“ geschieht, ist kein narratives Kino. Das ist das Eintauchen in eine Situation und eine Abfolge der Gewalt in all ihrer offengelegten Sinnlosigkeit.

Alex Garlands vorheriger Film „Civil War“ wurde vielerorts verrissen, weil er entgegen dessen, was man nach den Trailern vielleicht vermutet hatte, fast nichts über amerikanische Politik sagte. Garland hatte eine falsche Fährte ausgelegt, um dann einen ganz anderen Film zu erzählen, der sich mit Kriegsjournalismus und der Gewalt medialer Bilder befasst. In „Warfare“ legt er erneut so eine falsche Fährte aus. Das ist kein Film über den Irakkrieg, sondern ein Film über, wie erwähnt, die Sinnlosigkeit und Barbarei aller Kriege. Man konnte diesen unbequemen Zwiespalt des Antikriegskinos, einerseits den Schrecken, zugleich aber auch eine gewisse Faszination an der Gewalt zu zeigen, lange nicht so unbequem, herausfordernd und schlicht terrorisierend im Kino erleben und reflektieren. „Warfare“ entlarvt, was von der sogenannten Politik bleibt, wenn sie in die Realität des Krieges übersetzt wird.

Kit Connor als Soldat in "Warfare"
Eingekesselt im besetzten Haus Foto: © Real Time Situation LLC

Was Krieg wirklich bedeutet

Was Regierende beschließen, welche Befehle von oben bis unten ans Ende der Nahrungskette erteilt werden: All das bricht in dem zusammen, was Krieg eigentlich bedeutet. Er meint das Versagen jeder menschlicher Kommunikation und jeder Vernunft. Garland inszeniert die Sinnlichkeit der Kriegsräume als verstörenden, fremdartigen Horror. Bilder sind nach einer Explosion in undurchdringbare Staubwolken gehüllt. Rufe und Schreie sind kaum noch zu hören und dann werden sie wieder ganz unmittelbar als Schockmomente erfahrbar. Gehörgänge haben längst versagt, also ertönen Schüsse aus dem Gewehr als eigenartig piepsende Geräusche. Menschen verlieren ihre Menschlichkeit und werden nur noch zu identitätslosen Zielscheiben. Oder zu kaputten Fleischklumpen im Dreck.

„Warfare“ führt die ganze Absurdität und Bestialität der Weltsicht vor, die ein Krieg herstellt. Immerzu quasselt es auf der Tonspur. Informationen werden durchgegeben, weitere Befehle ausgesprochen, während dort nur noch das reinste Gebrüll, das reinste Chaos regiert. Politik, das sind nur noch zerfetzte, blutende Körper. In einer Szene nehmen sich diese Typen vor, denn Figuren oder Charaktere will man es kaum nennen, das sind alles nur austauschbare Gestalten, Kanonenfutter, Stärke zu zeigen. Patriotismus und blinder Gehorsam wollen es anscheinend so. Am Ende resultieren daraus weiteres Geschrei, Gewimmer, Zittern, Angst. Eine Spritze landet beim notdürftigen Verarzten im eigenen Finger. Was andere auf Monitoren aus Drohnenperspektive verfolgen und den Krieg wie ein zweidimensionales Spielbrett betrachten, kippt hier in seine ganze erschütternde und grausame Leibhaftigkeit.

Soldaten mit Gewehren auf der Straße
Einsatz im Irak Foto: © Real Time Situation LLC

„Warfare“ zeigt die Sinnlosigkeit der Gewalt

Schlussendlich zieht man sich in ein Panzerfahrzeug zurück. Dessen Pforte wird wie die Tür zu einem dunklen Gefängnisbunker geschlossen. Die sogenannten Feinde kommen aus ihrem Versteck und scheinen kaum zu begreifen, was dort gerade passiert ist. Oder man hat bereits eine Gleichgültigkeit entwickelt. Man zieht weiter, schließlich kann an der nächsten Straßenecke der Gewaltenkreislauf von vorn beginnen.

Und was bleibt nun von alldem übrig? Eine Abfolge gesichtsloser Porträtfotos der realen Personen. Als Beweis der Authentizität und als Sinnbild der verlorenen Identität, der Austauschbarkeit. Der Krieg verschlingt seine Teilnehmer für nichts und wieder nichts. Und übrig bleibt ebenso eine traumatisierte Familie, die nach Abzug der Truppen in ihrem völlig verwüsteten Haus und vor den Trümmern ihres Lebens steht. Das soldatische Ideal von Kameradschaftlichkeit und Aufopferung hinterlässt nichts als Leid, Schmerz, Tod und verbrannte Erde. Ein unmissverständlicheres Statement gegen den Irakkrieg im Konkreten und Krieg im Allgemeinen kann man eigentlich kaum auf die Leinwand bringen. „Warfare“ ist einer der grauenerregendsten und stärksten Kriegsfilme aller Zeiten.

„Warfare“ läuft ab dem 17. April 2025 in den deutschen Kinos und ist ab dem 17. Juli als Video-on-Demand digital erhältlich.

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