„Hölle! Hölle! Hölle!“, „Sieben Tage, sieben Nächte“, „Weiß der Geier“: Muss man mehr sagen? Wolfgang Petry wurde ebenso verehrt wie belächelt. Aber fast jeder kennt eine Petry-Zeile. Und daraus entsteht nun – wirklich – ein Musical. Wo? Natürlich im Ruhrgebiet.
Man sieht ihn kommen, spätestens als Sabine ihrem Mann Peter – einem passionierten Lastwagen-Fahrer – zuraunt: „Ich hab‘ auch nie mehr von dir gewollt.“ Irgendwo tief im eigenen Ohrwurm-Gedächtnis kündigt er sich an: dieser Wolfgang-Petry-Hit, diese Melodie, die man irgendwo zwischen Kirmes-Party, Schlager-Revue und 90er-Best-Of schon mal gehört hat – ausgelöst durch die Reizworte „Ich“, „nie“ und „gewollt“. Was hat sie nochmal genau nie gewollt?
Brummi-Fahrer Peter wechselt in die Singstimme. „Wir war’n wie Pech und Schwefel und lebten in den Tag“, säuselt er. Darauf seine Frau: „Zum Teufel mit der Liebe. Die Gefühle haben versagt.“ Für alle, die da noch nicht Bescheid wissen, löst Sabine ein paar Takte später auf, was sie wirklich nie gewollt hat: „Bronze, Silber und Gold, hab‘ ich nie gewollt.“ Denn: „Ich will nur dich, ja dich allein!“
„Bronze, Silber und Gold“ war einer der großen Hits von Wolfgang Petry (66), der sich 2006 von der Bühne verabschiedete und seitdem eine Art Phantom der Schlagerszene ist. In Duisburg, im Theater am Marientor, in dem Sabine und Peter das Lied singen, feiert er nun eine unerwartete Auferstehung. Sabine und Peter heißen eigentlich Vera Bolten und Enrico De Pieri, sie sind Musical-Darsteller – und zwei der Hauptdarsteller in „Wahnsinn!“, einem Stück rund um die Hits von Petry. Am Mittwoch (21. Februar) wird es erstmals vor Publikum gezeigt. Am Sonntag (25. Februar) feiert es Premiere.
Es geht um vier Paare, die auf die eine oder andere Weise Probleme miteinander haben. Lkw-Fahrer Peter etwa müsste eigentlich gar nicht mehr seinen Lastwagen fahren, seine Speditionsfirma läuft super. Aber er sitzt einfach so gerne am Steuer – und lässt seine Frau oft alleine zu Hause. Die Wege der Paare kreuzen sich – durchzogen mit Petrys Liedern, von „Bronze, Silber und Gold“ über „Weiß der Geier“ bis zum titelgebenden Party-Gröler „Wahnsinn“ („Waaaaaaahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle? Hölle! Hölle! Hölle!“).
Musicals, die sich an bereits bekannten Titeln orientieren, gab es in den vergangenen Jahren einige – vor allem „Mamma Mia!“ nach Abba. Bei dem Gedanken, dass nun auch Petry in diese Riege einzieht, mag manch einer dennoch kurz innehalten. „Wolle“ meets Musical – das klingt mindestens kurios. Petry – Schnurrbart-Ikone, Lockenmähnen-Träger, bekannt für seine Freundschaftsbänder – wurde von seinen Fans ja vor allem wegen seiner Erdigkeit geliebt: Uneitel, modisch etwas aus der Zeit gefallen, geradeheraus. Ein gewienerter Theaterboden und Prosecco in der Spielpause passen auf den ersten Blick nicht dazu.
Darsteller Enrico De Pieri sagt dazu: „Ich glaube nicht, dass die Leute – wenn sie kommen – eine riesige Verwechslungskomödie Shakespear’scher Art erwarten.“ Darum gehe es aber auch nicht. Das Direkte, Erdige, Ehrliche, das Petry zugeschrieben wird, müsse sich auf die Bühne übertragen. Auch in der Art, zu spielen. „Wir versuchen, so echte Menschen wie möglich zu spielen.“ Und natürlich: Die Musik stehe im Vordergrund. Auch wenn Petry gar nicht so leicht zu singen sei, wie man vielleicht denke. „Man fängt immer tief an – und dann geht es irgendwann sauhoch“, erklärt De Pieri.
Dass Petrys Texte nicht für eine Bühnengeschichte taugen, ist zudem gar nicht gesagt. Meist geht es darum, dass jemand einen anderen liebt, aber Mist gebaut hat. Hollywood macht daraus seit Jahrzehnten Komödien. „Wahnsinn!“-Autor Martin Lingnau sagt daher ohne mit dem Mundwinkel zu zucken, ihn hätten die Texte an „Tatsächlich… Liebe“ erinnert. Das ist ein Liebesfilm mit Hugh Grant.
Dass „Wahnsinn!“ auf fruchtbaren Boden fallen dürfte, liegt auch daran, dass Petry-Fans nach Ersatz lechzen. Vor mehr als zehn Jahren verkündete der Meister seinen Abschied von der Bühne, heute erkennt man ihn kaum wieder. Mittlerweile singt er auf Englisch als „Pete Wolf“. In der Öffentlichkeit macht er sich allerdings rar. Dass er nochmal als der alte „Wolle“ auf die Bühne steigt, kann er sich nicht vorstellen. „Alles hat ja seine Zeit und ich glaube nicht, dass diese Zeit nochmal zurückkommt“, erklärt er. Das Musical hat er begleitet.
Und dann ist da ja noch der Spielort: Duisburg und das Ruhrgebiet liegen tief im Petry-Gürtel. Eröffnen wird das Musical mit „Wir sind das Ruhrgebiet“. An den folgenden Spielorten – Berlin und München – wird das Publikum womöglich irritiert sein. Und dann mitsingen.
[dpa]
Bildquelle:
- Inhalte_Kino_Artikelbild: © Romolo Tavani - Fotolia.com