Mit „Cloud Atlas“ hat sich der deutsche Regisseur Tom Tykwer gemeinsam mit den Geschwistern Lana und Andy Wachowsky an einen stoff gewagt, der bislang als unverfilmbar galt. In Interview spricht Tykwer über die Probleme der Finanzierung des Mammut-Projektes und darüber, warum er 3D im Kino für überflüssig hält.
Herr Tykwer, „Cloud Atlas“ ist mit 100 Millionen Dollar der teuerste deutscheFilm und löst damit Ihr Werk „DasParfum“ ab…
Tom Tykwer: Mit diesen Superlativen kann ich nichts anfangen. Undnatürlich ist es auch eine internationale Produktion. Aber dasmeiste Geld kommt schon aus Deutschland, der Produktionsstandortwar Deutschland, der größte Teil des Teams war deutsch -insofern ist es wohl ein deutscher Film.Wir haben sehr lange gebraucht, um das auf die Beine zustellen.
Weil sich nicht genügend Geldgeber gefunden haben?
Tykwer: „In Deutschland gab es eine starke Bereitschaft, den Film zu finanzieren. Aber wir konntenselbstverständlich nicht das ganze Budget von hier aus stemmen.Deshalb haben wir in der ganzen Welt nach Partnern gesucht. Wirhaben jeden Euro mitgenommen, den wir kriegen konnten.
Was hat „Cloud Atlas“ so teuer gemacht?
Tykwer: Ich hoffe, das sieht man auf der Leinwand. Die meistenSchauspieler haben für einen Bruchteil ihrer üblichen Gagegearbeitet. Man sieht sechs verschiedene Zeitalter. Jedes fürsich ist sehr aufwendig inszeniert. Es beginnt im 19.Jahrhundert und endet im 25. Jahrhundert. Das muss man allesentwickeln, schlüssig konstruieren – und dann realisieren.Südkorea im Jahr 2140 gibt es so natürlich gar nicht. Das heißt,man muss alles vollständig erfinden, die Architektur, die Mode,die Technologie – und es dann im Studio und am Computer bauen -allein das ist schon sehr aufwendig.
Sie haben die Möglichkeit des Scheiterns nie ausgeschlossen -gab es Momente, in denen Sie tatsächlich dachten, das Projektist nicht realisierbar?
Tykwer: Es gab jeden Tag Anrufe, die uns an den Rand desAufgebens gebracht haben. Das hing damit zusammen, dass dieFinanzierung immer wieder gefährdet war. Es ist wirklich einkomplett unabhängig finanzierter und produzierter Film. Es gab nicht ein dickes Studio,das das Geld auf den Tisch gelegt hat, sondern 30, 40 Beteiligte- von denen eigentlich regelmäßig welche absprangen oder pleitegingen.
Wie gehen Sie mit dem Erfolgsdruck um?
Tykwer: Den hat man in gewisser Weise immer als Filmemacher undKünstler – man will gesehen werden. Natürlich gibt es bei einemKinofilm noch den zusätzlichen Druck, dass man denjenigen, dieein finanzielles Risiko eingegangen sind, auch gerne ihr Geldwiedergeben will. Man möchte ihren Willen zur Kunst irgendwiebelohnen. Aber am Ende kann man ja nichts anderes tun, als denbestmöglichen Film zu machen, denman sich vorstellen kann. Und: Es ist der bestmögliche Film geworden, den ich mir imAugenblick vorstellen kann.
Wie schreibt man zu Dritt ein Drehbuch?
Tykwer: Das ist nicht so etwas Ungewöhnliches. Man muss sichdas so vorstellen: Einer sitzt in der Mitte und tippt und linksund rechts sitzen zwei, die die ganze Zeit reden. Man diskutiertjeden Satz und jede Idee. Dann zieht man sich auch mal wiederzurück und jeder schreibt für sich. Aber es ist ein stetigesZusammensein, was mir sehr liegt. Wir haben auch später fastnichts getrennt gemacht.
Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt darüber nachgedacht, CloudAtlas in 3D zu drehen?
Tykwer: Nein, ich wüsste nicht, warum der Film in 3D irgendetwas hätte besserdarstellen können. Ich bin da generell etwas überfragt, was dasganze Genre betrifft. Ich bin ziemlich desinteressiert an 3D.
Also ist 3D Ihrer Ansicht nach kein Zugewinn für dieKinogeschichten?
Tykwer: Nur unter ganz bestimmten Umständen. Wenn man etwaexplizit und wahnsinnig viel investiert ins Detail wie zumBeispiel bei „Avatar“, dann sieht man einen sinnlichen Zuwachs,den ich als wirklich wahrnehmbar empfinde. Ob der Film dadurch interessanter ist, bleibteine andere Frage. Bei 19 von 20 Filmen, die ich in 3D sehe,merke ich den Unterschied allerdings nicht. Ich bin eher davonabgelenkt, dass ich diese Brille im Gesicht habe, die mich einbisschen isoliert. Ich finde es schade, dass man als3D-Zuschauer vom Publikum etwas abgespalten wird – dass mandiesen Gemeinschaftseffekt, der so wichtig für das Kinoerlebnisist, reduziert. Man fühlt sich irgendwie einsamer mit derBrille. Für einzelne spektakuläre Filme ist 3D sicher sinnvoll.Aber ich glaube nicht so richtig daran, dass 3D etwas ist, dassich auf das Kino allgemeinentscheidend auswirkt. Und ich bin sicher, dass es in Zukunfteher weniger 3D-Filme geben wird als heute.
Sie arbeiten schon seit langer Zeit international. Haben Sieschon einmal überlegt in die USA zu ziehen, nach Hollywood zugehen?
Tykwer: Nö, wieso? Was soll ich denn da? Es erwartet in Amerikaauch kein Mensch, dass man da rüberzieht. Die lagern ja selbstunheimlich viele Dreharbeiten aus nach Europa. Ich bin einBerliner Filmemacher und werde hier bleiben.
Wie würden Sie selbst Cloud Atlas charakterisieren?
Tykwer: Ein hoffentlich sehr inspirierender und zugleichunterhaltsamer Film. KeinEntweder/Oder – sondern beides.
Vielen Dank für Das Gespräch.Archiv
[Elke Vogel/ps]
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