Als eine Gruppe von Kriminellen nach einem Geldraub bei einer Explosion ums Leben kommt, planen die Witwen der Männer ihren nächsten Coup. Der Thriller „Widows – Tödliche Witwen“ von Steve McQueen ist die Neuverfilmung einer britischen Fernsehserie.
Eine Explosion verändert das Leben von Veronica Rawlings (Viola Davis) radikal. Nach einem Geldraub stirbt ihr sanftmütiger, aber krimineller Ehemann Harry (Liam Neeson) mit drei Komplizen, als der Fluchtwagen im Kugelhagel der Polizei explodiert. Zeit zum Trauern bleibt Veronica nicht, denn der Beklaute Jamal Manning (Brian Tyree Henry) verlangt die gestohlenen zwei Millionen Dollar von ihr zurück. „Weil’s um mein Leben geht, geht’s jetzt auch um deins“, droht er der Witwe. Dass die Beute in Flammen aufgegangen ist, kümmert den korrupten Politiker genauso wenig, wie dass Veronica von Harrys Machenschaften nichts wusste. Sie hat einen Monat Zeit.
Die Geschichte ist nicht neu. Der Thriller von US-Regisseur Steve McQueen („12 Years A Slave“), dessen überflüssiger deutscher Zusatz „Tödliche Witwen“ eher unpassend ist, basiert auf der britischen TV-Serie „Widows“ aus den 80er Jahren. Die wurde schon 2002 als Miniserie erneut für den US-Markt verfilmt. Während die Handlung dafür stark verändert wurde, bleibt der neue Kinofilm näher am Original. Statt in London spielt die Handlung in Chicago, das McQueen in bedrückend düsterer Optik samt seiner Schattenseiten zeigt.
Auf Unterstützung von Behörden und Politikern braucht Veronica nicht zu hoffen. Aber Harry hat ihr ein Notizbuch mit Plänen, Kontakten und anderen Informationen zu seinen kriminellen Geschäften hinterlassen. Mit zwei anderen Witwen plant sie den Coup, den Harry als nächstes machen wollte. Die taffe Mutter Linda (Michelle Rodriguez) verlor mit dem Tod ihres Mannes auch ihr Modegeschäft und will eine neue Existenz aufbauen. Die in der Ehe misshandelte Alice (Elizabeth Debicki) will sich endlich nichts mehr gefallen lassen. Als Vierte stößt die gutherzige Belle (Cynthia Erivo) zum Quartett.
Anders als die lockere Kunstraub-Komödie „Ocean’s Eight“ vom Sommer mit Sandra Bullock, Cate Blanchett und Co. hat McQueen „Widows“ als düsteren, mitunter deprimierenden Thriller mit realistischen Protagonisten inszeniert. Sein Film spielt vor dem Hintergrund eines lokalen Wahlkampfs, der zwischen dem zwielichtigen Jack Mulligan (Colin Farrell) aus einer Chicagoer Politiker-Familie und eben jenem Jamal Manning entschieden wird, der Veronica bedroht.
Die Besetzung dieser nahegehenden, weil authentischen Frauenrollen ist hervorragend – mit Oscar-Gewinnerin Davis („Fences“) als Witwe zwischen Verzweiflung und Wut, der aus der endlosen „The Fast And The Furios“-Reihe bekannten Rodriguez, der Australierin Debicki („The Great Gatsby“) und der vielseitigen Britin Erivo. Die 31-Jährige trat bisher vor allem auf der Bühne, als Sängerin und in TV-Nebenrollen auf und gab kürzlich in „Bad Times At The El Royale“ ihr Kinodebüt.
In einer Nebenrolle sorgt der Brite Daniel Kaluuya („Get Out“) als Jamal Mannings fieser Bruder und brutaler Killer für Schaudern. Einige seiner Szenen sind aufgrund ihrer Brutalität nur schwer zu ertragen. Außerdem zeigt Altstar Robert Duvall („Der Pate“) als Mulligans rassistischer Vater eine beeindruckende Performance.
Der Plot von „Widows – Tödliche Witwen“ ist spannend und enthält ein paar gelungene Wendungen. Die Mischung aus Thriller und Drama ist nicht nur ein sogenannter Heist-Movie, also ein Film über die Planung und Durchführung eines Raubüberfalls, sondern auch eine zeitgemäße Geschichte von Klassenunterschieden und Rassismus. Das ist zugleich ein Problem dieses langsam erzählten Films, der wie ein Actionkracher vermarktet wird, obwohl er äußerst ruhig geraten ist.
Mit seinen vielen Charakteren und Schauplätzen wirkt „Widows – Tödliche Witwen“ mitunter überfrachtet. Es fehlt an der richtigen Balance. Einige unnötig lange, fast zähe Szenen bringen die Handlung kaum voran und schaden der Dynamik des Films. Manches wirkt nicht zu Ende erzählt. So hinterlässt „Widows“ am Ende ein paar offene Fragen – und das Gefühl, dass Steve McQueen damit unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. [Philip Dethlefs]
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