„The Last Duel“ von Ridley Scott: Eine ritterliche Gurke

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Ridley Scott („Alien“, „Blade Runner“) hat einen neuen Historienfilm gedreht: „The Last Duel“ erzählt eine Missbrauchsgeschichte im Mittelalter und hinterlässt wenig Eindruck.

Man verliert langsam die Hoffnung in der Causa Ridley Scott. „Der Marsianer“ mit Matt Damon war da noch am ehesten ein kleiner Lichtblick, ansonsten betrieb der Hollywood-Regisseur in den vergangenen Jahren mit Filmen wie „Alien: Covenant“, „Exodus“ oder „Alles Geld der Welt“ vor allem mal mehr und mal weniger erfolgreiche, übermäßig aufgeblasene Wiederverwertung längst auserzählter Stoffe und Genreversatzstücke. „The Last Duel“ bildet da keine Ausnahme.

Scott, das war mal einer für großes, publikumswirksames Spektakel- und Monumentalkino. „Gladiator“ oder „Königreich der Himmel“ haben ihren Platz im populären Historienkino, wenn auch zähneknirschend, durchaus sicher. Inzwischen fällt dem Altmeister nichts mehr ein. Sein neuer Ritterfilm „The Last Duel“ wirkt über weite Strecken wie aus einer anderen Zeit, trotz zeitgeistiger #metoo-Thematik.

Prominent besetzter Historienschinken

In unnötig langen zweieinhalb Stunden erzählt „The Last Duel“ von der Vergewaltigung einer Edeldame im 14. Jahrhundert und der anschließenden kämpferischen Rache durch ihren Gatten an seinem Gegenspieler, seinem ehemaligen Freund. Matt Damon spielt diesen Ritter mit Vokuhila-Frisur und Narbe im Gesicht. Gnadenlos überzeichnet in jeder Szene, aber Damons Schauspiel bringt den nötigen Grad an Trash in den Film, der sich ansonsten fast lächerlich ernst nimmt. Als seine Frau gibt es Jodie Comer zu sehen, die ein Mindestmaß an Charakterspiel einbringt. Adam Driver mimt ihren Vergewaltiger mit einer interessanten Ambivalenz, das muss man ihm lassen.

Alle drei spielen sie, als befänden sie sich in ihrer jeweils eigenen Geschichte. Man könnte das als stilistisches Mittel für die zerteilte Erzählform begreifen, die der Film wählt, sofern es nicht an der holzhammerartigen Regiearbeit liegen würde. Sonderlich viel Substanz gibt ihnen hingegen ohnehin kein Drehbuch mit auf den Weg, an dem Matt Damon und Ben Affleck gemeinsam mit Nicole Holofcener geschrieben haben. Als Vorlage diente ein Sachbuch von Eric Jager. Affleck übernimmt als durchtriebener Graf auch noch eine nicht unbedeutende Nebenrolle.

„Rashomon“ ohne „Lustwäldchen“

„The Last Duel“ ist offensichtlich Ridley Scotts später Nachklapp zu Akira Kurosawas „Rashomon“ von 1950, der in Deutschland unter dem unsäglichen Titel „Das Lustwäldchen“ erschien. Scott erzählt seine zentrale Straftat aus drei verschiedenen Perspektiven, die unterschiedliches Licht auf das Ereignis werfen.

Wo der eine dem Lustrausch verfällt, erlebt die andere eine körperliche und seelische Tortur. Wo der eine um seine ritterliche Ehre kämpft, leidet die andere unter dem hohlen und zerstörerischen Sittengesetz, das die Frau lediglich als Besitztum begreift.

Bei Scott ist das alles zu offensichtlich, mit zu wenigen Grautönen und Verschiebungen erzählt. Vorbild und freie Adaption liegen meilenweit voneinander entfernt. Die Straftat ist in Gänze ausgebreitet. Zu wenig unterscheiden sich die drei Blickwinkel in zentralen Punkten, um irgendwie spannend zu bleiben. Stattdessen hält man sich auf mit kleinen belanglosen Details. Was eigentlich einen Begriff der objektiven Wahrheit unterwandern will, macht im Film doch eine genau solche explizit aus.

Teure Aufnahmen und doch keine Bilder

Der Rest ist, zugegeben, recht opulent anzusehendes Ausstattungskino. Mit Schmutz, Blut, Massenszenen, teuren Kostümen und Kulissen hat Ridley Scott noch nie gegeizt. Wenn es zum titelgebenden „letzten Duell“ Frankreichs, einem Gottesurteil durch Zweikampf, kommt, dann ist das mit konsequenter Härte und Zerstörungswut auf die Leinwand gebracht, aber echte Bilder gibt es hier nicht zu sehen. Dafür bewegt sich „The Last Duel“ durch zu viele abgegriffene Historienfilm-Klischees.

Ein blutgeiler Kindskönig trottelt da durchs Bild, die Rittersmutter treibt ihr eigenes Spiel, beschmutzte Männer ziehen in den Krieg. Das mittelalterliche Paris schimmert als blaugrauer Computerspiel-Hintergrund. Nachts hurt man in der Kemenate, nackte Frauen lässt Scott gerne durchs Bild wackeln. Ein „Game of Thrones“-sozialisiertes junges Publikum wird das heute ohnehin kaum noch beeindrucken. Drachen gibt es auch keine zu sehen, das einzige Ungeheuer ist der Zottelbart von Matt Damon.

Gegenwärtiges in alten Lumpen

Alles in diesem Ritterepos wirkt lust- und farblos dahinerzählt. Trotz teurer Ausstaffierung fehlt das Gefühl für Größe und Klasse, mit der das Rachedrama vom Liebesdreieck zum universellen Pamphlet strebt. Insofern passt „The Last Duel“ ganz gut in das eher durchwachsene Programm der letzten Tage des Filmfestivals in Venedig, wo er seine Weltpremiere feierte. Dass der Film seine gegenwärtige #metoo-Sichtweise diesem emanzipatorischen Stoff überstülpt, kann man zumindest ambitioniert finden.

Wirklich Erhellendes oder Interessantes gibt es bei dieser Rape-and-Revenge-Geschichte, wenn man ehrlich ist, allerdings nicht zu erleben. Dafür ist ihre Moral zu dünn gestrickt, zu inkonsequent auserzählt. Wer eine ernsthaft faszinierende Auseinandersetzung mit ritterlichen Idealen und zerstörerischer Männlichkeit sehen will, ist derzeit in den Kinos mit David Lowerys „The Green Knight“ besser beraten. Die Spurensuche in Scotts Film nach jahrhundertealten patriarchalen Strukturen der weiblichen Unterdrückung geschieht in alten Lumpen. Sie reanimieren ein Mittelalterkino, dem bereits vor vielen Jahren der Dolchstoß versetzt wurde.

„The Last Duel“ feierte seine Weltpremiere bei den 78. Filmfestspielen von Venedig und wird am 15. Oktober 2021 in den deutschen Kinos starten.

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Bildquelle:

  • mattdamon: The Walt Disney Company Germany
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