Nachdem Eddie Redmayne im vergangenen Jahr für seine Darstellung des schwer kranken Physikers Stephen Hawking mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, wagte er sich erneut an eine herausfordernde Rolle: In „The Danish Girl“ mimt der Brite einen transsexuellen Künstler, der sich in eine Frau verwandelt.
Kopenhagen im Jahr 1926: Einar Wegener wird als erfolgreicher Landschaftsmaler gefeiert, seine Frau Gerda zeichnet Porträts. Sie sind jung und glücklich miteinander. Doch schnell wird in „The Danish Girl“ klar, dass mit dem Filmtitel nicht die Künstlerin, sondern ihr Ehemann gemeint ist. Mit seinen zarten Händen streicht Einar über Tüll-Kleider in der Garderobe des Balletts. Im Atelier seiner Frau streift er sich Seidenstrümpfe und Spitzenschuhe über, als er für sie Modell steht. Anfangs zögerlich, dann immer häufiger kleidet er sich als Frau.
Es ist kein sexueller Fetisch, keine Dragqueen-Verkleidung. Einar erkennt, dass er im falschen Körper geboren wurde und als Frau leben möchte. „The Danish Girl“ erzählt nach wahren Begebenheiten die Geschichte des Künstlers, der als Lili Elbe ein Doppelleben führte und sich als einer der ersten Transsexuellen einer Geschlechtsumwandlung unterzog. Als Vorlage dient der gleichnamige Bestsellerroman von David Ebershoff aus dem Jahr 2000.
Passender geht es kaum. Die Transgender-Thematik über Menschen, die das Gefühl haben, im falschen Körper geboren zu sein, erlebt derzeit einen wahren Showbusinessboom, von Schlagzeilen über Caitlyn Jenner, ehemals Bruce, bis zu TV-Serien wie „Transparent“ und „Orange is the New Black“.
Doch der britische Regisseur Tom Hooper begeisterte sich schon 2008 für den Stoff, als er noch an dem späteren Oscar-Abräumer „The King’s Speech“ arbeitete. „Es ist schwer, etwas großartig Geschriebenes zu entdecken, ich fand die Liebesgeschichte unwiderstehlich, episch“, sagte Hooper dem „San Francisco Chronicle“. Und so ist der Film kein brisantes Gesellschaftsdrama mit politischen Untertönen, sondern eine schön verfilmte Love-Story mit großen Emotionen, von der stellenweise schnulzigen Vertonung von Alexandre Desplat untermalt.
Seine enorme Wandelbarkeit hatte der Brite Eddie Redmayne schon in der Rolle des schwer kranken Physikers Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ gezeigt – und damit im vorigen Februar den Oscar als bester Hauptdarsteller gewonnen. Als Lili mit Lippenstift und Stöckelschuhen ist der britische Star noch mutiger. Wenn er nackt vor einem Spiegel feminine Spuren an seinem Körper sucht, oder als Betrachter in einer Peep-Show die Bewegungen der Stripperin nachahmt.
Der schwedische Shooting-Star Alicia Vikander („Ex Machina“, „Anna Karenina“) ist ihm ebenbürtig. Die 27-Jährige spielt Gerda mit allen Facetten, verführerisch, fassungslos, verzweifelt, verständnisvoll und vor allem als starke, treue Begleiterin bis zum bitteren Ende von Lilis Selbstfindung.
Die wenigen Nebenrollen sind gut besetzt. Ben Whishaw („Das Parfum“) spielt einen schwulen Mann, der sich in Einar verliebt. Matthias Schoenaerts („The Drop – Bargeld“) mimt einen Jugendfreund, der als Kunsthändler in Paris Gefühle für Gerda hat. Sebastian Koch („Das Leben der Anderen“) verwandelt sich in den Gynäkologen Kurt Warnerkros, der an der Frauenklinik in Dresden die riskante Geschlechtsanpassung vornimmt.
Zuvor trifft Einar auf Ärzte, die ihn als pervers, abnormal oder schizophren einstufen. Doch das ist alles nur knappes Beiwerk zu dem emotionalen Drama, das sich zwischen den Eheleuten abspielt. Redmayne bereitete sich nach eigenen Angaben drei Jahre auf die Rolle vor. Er selbst denke nicht in Rollenbildern, sagte er im September dem US-Magazin „Out“. „Ich kann total verstehen, wenn andere Menschen eine weibliche Seite an mir erkennen“.
Der Oscar-würdige Auftritt von Redmayne und Vikander bewahrt „The Danish Girl“ davor, ins Kitschige abzugleiten. Sie verleihen der eher konventionell inszenierten Biografie die nötige Intensität und Spannung. Bei den Golden-Globe-Nominierungen Mitte Dezember wurden beide als beste Hauptdarsteller in einem Filmdrama nominiert. In der Sparte Regie und bestes Drama ging der Film dagegen leer aus.Kinokritiken im Überblick
[Barbara Munker/fs]
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