„Reifeprüfung“, „Silkwood“, „Hautnah“: Seit den 1960er Jahren hat Mike Nichols mit den größten Stars dutzende Filme gedreht und Broadway-Hits inszeniert. An diesem Sonntag wird der gebürtige Berliner 80 Jahre alt.
Vor über 40 Jahren gab Mike Nichols dem damals unbekannten Dustin Hoffman eine Chance und machte ihn zum Star der Oscar-prämierten Gesellschaftssatire „Die Reifeprüfung„. Der amerikanische Regisseur, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird, holt seit den 1960er Jahren Hollywoods Elite vor die Kamera: Elizabeth Taylor, Meryl Streep, Annette Bening, Richard Burton, Harrison Ford, Gene Hackman.
Zuletzt traten Tom Hanks, Julia Roberts und Philip Seymour Hoffman für Nichols‘ Politsatire „Der Krieg des Charlie Wilson“ (2007) vor die Kamera. Der Regisseur wagte sich damit an die brisante, wahre Story des texanischen Abgeordneten und CIA-Mannes Charlie Wilson, der in den 80er Jahren den Kampf afghanischer Rebellen gegen die Sowjetunion mit millionenschweren Waffengeschäften unterstützte. Zuvor hatte Nichols mit „Hautnah“ (2004) einen regelrechten Beziehungskrieg inszeniert, in dem sich Jude Law, Julia Roberts, Natalie Portman und Clive Owen in Sex, Untreue und Lügen verstricken.
Nichols, der mit treffendem Blick den American Way of Life bissig-ironisch kommentiert, war gerade 35 Jahre alt, als ihn die amerikanische Zeitschrift „Newsweek“ zu „Amerikas einzigem Starregisseur“ kürte und Hollywoods Neuentdeckung eine Titelstory widmete. Mit der sensationellen Filmadaption von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ mit Richard Burton und Elizabeth Taylor in den Hauptrollen war Nichols 1966 der Durchbruch gelungen. Mit fünf Oscar-Trophäen wurde der Streifen überhäuft. Gleich ein Jahr später holte sich Nichols einen Regie-Oscar für „Die Reifeprüfung“.
Der Regisseur inszenierte seither – am Broadway und in Hollywood – regelmäßig Hits, wie den Atomkraft-Thriller „Silkwood“, die satirische Karriere-Posse „Die Waffen der Frau“, die Schwulen-Komödie „The Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel“ oder die Politsatire „Mit aller Macht – Primary Colours“ mit John Travolta als sexbesessenem US-Präsidentschaftskandidaten.
Ein paar Misserfolge, darunter das flache Drama „In Sachen Henry“ mit Harrison Ford und die Horror-Komödie „Wolf“ mit Jack Nicholson, konnten seinem Ruf als scharfsinniger Gesellschaftskritiker nichts anhaben.
Als siebenjähriger Michael Igor Pechkowsky kam der in Berlin geborene Sohn jüdischer Eltern auf der Flucht vor den Nazis in die USA. Sein einziger Wortschatz damals: „Ich spreche kein Englisch“ und „Bitte, küss mich nicht“, wie Nichols 2009 der „New York Times“ sagte. Nach einem abgebrochenen Psychologie-Studium in Chicago zog er nach New York, seine Lieblingsstadt, die er stets Hollywood vorzog.
Sprungbrett für seine Karriere war Ende der 1950er Jahre das Varieté. An der Seite der Komödiantin Elaine May avancierte er mit bissigem Humor am Broadway rasch zum Publikumsliebling. Doch Nichols wollte Regie führen. Sein erster Versuch, die Theaterinszenierung von „Barfuß im Park“ mit Robert Redford, war 1963 gleich ein Hit. Als Redford das Rollenangebot für „Die Reifeprüfung“ ausschlug, castete Nichols den bis dahin völlig unbekannten Dustin Hoffman. Zusammen gelang ihnen ein zeitloses Meisterwerk, das sich über die verlogene Gesellschaftsordnung lustig macht, mit sexuellen Tabus bricht und Hoffman als Star des amerikanischen Films etablierte.
Im Laufe seiner Karriere verdiente sich Nichols sieben Tony-Trophäen, einen Oscar sowie Grammy- und Emmy-Preise, und außerdem den Ruf als schlagfertiger Entertainer und Gesprächspartner. Hinzu kommt das Lob seiner Stars. Meryl Streep schwärmte in der „New York Times“ über den „großartigen“ Filmemacher: „Regisseure wollen oft Kontrolle über alles haben, doch Mike hat die Begabung, sich im richtigen Moment herauszuhalten und Dinge geschehen zu lassen“. Seit 1988 ist der dreifache Vater mit seiner vierten Frau, der Star-Journalistin Diane Sawyer, verheiratet.
[Barbara Munker]
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