Stets mit kritischem Blick: Rainer Erler gehörte zu den produktivsten Filmschaffenden. Er war ein Vordenker des deutschen Science-Fiction. Jetzt ist der Münchner im Alter von 90 Jahren gestorben.
Schon vor 50 Jahren drehte Rainer Erler in Deutschland Science-Fiction-Filme auf Weltniveau. Mehr als 40 Spielfilme, 14 Romane, gut zwei Dutzend Erzählungen und Kurzgeschichten, sowie fünf Bühnenwerke – das Werk des Münchner Regisseurs, Produzenten und Autors Erler ist imposant. Mit seinen künstlerischen Beiträgen bot er stets Diskussionsstoff. Am Mittwoch ist Erler im Alter von 90 Jahren in seiner Wahlheimat in Perth in Australien gestorben, wie seine Familie mitteilte.
„Es gibt keinen Film von mir, wo sich nicht ganz bestimmte Interessengruppen ganz vehement vorher dagegen gestellt oder protestiert hätten“, sagte Erler einmal in einem Interview.
Zu den bekanntesten Werken des in München aufgewachsenen Filmemachers gehören die gesellschaftskritische Komödie „Seelenwanderung“, das Polit-Drama „Plutonium“, die Science-Fiction-Reihe „Das blaue Palais“, das Astronautendrama „Operation Ganymed“.
Einen Platz in der deutschen TV-Geschichte hat Erlers beklemmender Film „Fleisch“ aus dem Jahr 1979. Ein Mann (Herbert Herrmann) gerät auf seiner Hochzeitsreise in die Fänge einer Bande, die in großem Stil Menschen entführt, ihnen Organe entnimmt und diese teuer verkauft. Die berühmte Szene des Films: Die Braut, gespielt von Jutta Speidel, kann knapp bekleidet gerade noch fliehen und wird von einem Ambulanzwagen der Organ-Mafia durch die Wüste verfolgt.
An Kinoverleiher in 127 Ländern sei der Film verkauft worden, erinnerte sich Erler kurz vor seinem 85. Geburtstag im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Sogar in der DDR war es ein unglaublicher Erfolg. Die haben dort 12 Millionen Kinokarten verkauft.“
Wenn Erler im hohen Alter von Kino und Fernsehen sprach, klang immer noch die Begeisterung für das Metier durch. Im Jahr 2000 war sein letzter Film entstanden, „Die Kaltenbach-Papiere“ mit Mario Adorf. „Aufzuhören war für mich schwer“, sagte er. Es sei sein Leben, sein Lebenselixier gewesen. Aber auch ein Ventil, um auf Missstände und ungesunde Entwicklungen hinzuweisen. „Ich war ja auch immer Autor – und Themen gab es auch damals schon mehr als genug“, sagte Erler.
Im Jahr 2013 erhielt Erler den Deutschen Regiepreis „Metropolis“ für sein Lebenswerk. Seinen Stil der ungewöhnlichen Verschmelzung von brisanten und politischen Themen mit Science-Fiction-Elementen bezeichnete die Jury in ihrer Begründung der Auszeichnung als legendär.
Mit der gleichen Disziplin, wie er sich früher an Filme und Bücher gemacht hat, lebte er sein Ruhestandsleben. Er stand sehr früh auf, frühstückte um 7 Uhr und ging eine halbe Stunde Schwimmen im heimischen Pool. Anschließend machte er eine einstündige Wanderung mit seiner Frau Renate, mit der er seit 1961 verheiratet war.
Seinen Lebensabend verbrachte der „militante Nichtraucher“, wie er sich selbst bezeichnete, teils in der Nähe von Bad Tölz und teils in Australien bei seiner Tochter – bis die Corona-Pandemie im Jahr 2020 das Reisen deutlich erschwerte.
Die Strapazen eines langen Flugs hätten sich die betagten Eheleute nicht mehr antun wollen, sagte Erler kurz vor seinem 90. Geburtstag Ende August. Warum auch? „Wir sind hier gut versorgt“, sagte er. Seine Tochter Tatjana wohne mit Mann und den zwei Kindern gleich nebenan.
Erlers Liebe zum fünften Kontinent ergab sich durch das Filmemachen. Er produzierte in 30 Ländern – für drei Filme, darunter „Das schöne Ende dieser Welt“, ging es nach Australien. Vor allem die Stadt Perth hatte es ihm angetan, und auch seiner Familie. Tochter Tatjana ging dort zur Schule und studierte dort auch.
Das politische Treiben in Deutschland beobachtete Erler zuletzt laut eigener Aussage aus „sicherer Distanz“. Und was er sah, begeisterte ihn nicht gerade. „Wenn die Grünen und die SPD ohne die FDP ihre Pläne und Visionen durchsetzen könnten, hätte die Zukunft in Sachen Klima und Energie eine bessere Chance“, sagte Erler. Dass Außenministerin Annalena Baerbock wegen technischer Mängel beim Regierungsflieger nicht nach Australien reisen konnte, sei in seiner neuen Heimat eine „Lachnummer“ gewesen.
Ansonsten aber sei „Made in Germany“ bei Autos, Küchengeräten und anderen technischen Produkten in Australien immer noch ein Gütesiegel, zeigte sich Erler überzeugt. Das gilt auch für seine künstlerische Hinterlassenschaft: Wo Erler drauf steht, ist zeitlose Qualität drin. Sein umfangreiches Werk findet sich im Archiv Film- und Medienkunst in Berlin.
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