Ob „Die Fliege“, „eXistenZ“ oder „Crash“ – David Cronenberg gilt als Meister des Horrors. Aber der Kultregisseur kann auch anders und sieht sich selbst vor allem als „optimistisch und glücklich“. Jetzt wird Cronenberg 75 – und arbeitet an neuen Projekten.
David Cronenberg fühlt sich und seine Filme oft missverstanden. „Meine Fantasie ist gar nicht voller Horror“, sagte der Regisseur jüngst dem britischen „Guardian“. „Das ist das große Missverständnis über meine Filme. Erstens denke ich, dass sie lustig sind. Nicht alles daran, aber sie sind voller Humor. Und dann ist das doch auch gar nicht meine Fantasie – jeder kann heute die Nachrichten im Internet oder in der Zeitung sehen, da ist jeden Tag Horror.“
Trotzdem ist Cronenberg seinen Ruf als Schockfilmer, mit Bildern von platzenden Köpfen und ekelerregenden Parasiten, nie so richtig los geworden, auch wenn er in den den vergangenen Jahren zahmer und erzählerischer geworden ist. Zuletzt führte er 2014 bei dem Satire-Drama „Maps to the Stars“ mit Julianne Moore Regie. Davor hatte er 2012 den Bestseller „Cosmopolis“ von US-Autor Don DeLillo auf die Leinwand gebracht.
Am kommenden Donnerstag (15. März) wird Cronenberg 75 Jahre alt. Seinen Geburtstag werde der in der kanadischen Metropole Toronto lebende Kultregisseur „ruhig mit seiner Familie“ feiern, sagt seine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Wie immer habe er zahlreiche Projekte im Köcher, über Details könne sie aber nicht sprechen. Jeder Film ist für Cronenberg auch ein neuer Anfang, seine früheren Werke schaut er sich so gut wie nie an. „Wenn ich einen Film drehe, setze ich den Stoff so um, wie er es verlangt. Meine früheren Filme interessieren mich dabei nicht. Und es macht doch auch Spaß, Erwartungen einmal nicht zu erfüllen.“
Cronenbergs frühere Welten kreisten um Sex, Fetischismus und Übergriffe der Technik auf das menschliche Leben. Die Szenarien waren faszinierend, abstoßend und kontrovers. Schon an seinem Spielfilmdebüt „Shivers“ („Parasiten-Mörder“) von 1975 schieden sich die Geister. Es wurde von der kanadischen Filmförderungsgesellschaft mitfinanziert. Die Story über phallische Würmer, die Menschen in einer Hochhaussiedlung befallen und sie in sexwütige Mordmaschinen verwandeln, war jedoch keineswegs nach dem Geschmack des Gremiums. Im kanadischen Parlament wurde sogar darüber diskutiert, Cronenberg die staatliche Förderung wieder zu entziehen.
Spätestens nach „Scanners“ (1980) und der Stephen-King-Verfilmung „Dead Zone – Der Attentäter“ (1983) wurde Hollywood auf den Kanadier aufmerksam. Furore machte er 1986 mit dem Remake des Science-Fiction-Thrillers „Die Fliege“. Ein genialer Jungforscher (Jeff Goldblum) mutiert nach einem missglückten Gen-Experiment zu einem monströsen Insektenwesen, halb Mensch, halb Fliege. Ekelerregender hatte bis dahin niemand die Schreckensvisionen vom Forschungswahn auf die Leinwand gebannt.
Geteilt waren die Meinungen bei „Crash“ (1996), der Verfilmung von J. G. Ballards Roman über eine Gruppe Auto-Erotiker, die aus Verkehrsunfällen und entstellenden Verletzungen ihren sexuellen Kick beziehen. „Abstoßende Pornografie“, urteilten einige Kritiker, in England durfte der Film nicht in den Kinos laufen. Gelassener wurde das bei den Filmfestspielen in Cannes gesehen: Für seine „Kühnheit und Originalität“ wurde Cronenberg dort mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Bei der Berlinale bekam er 1999 den Silbernen Bären für den Cyber-Thriller „eXistenZ“ über die Erfindung eines Computerspiels mit einem Bioport, der die Menschen per Nabelschnur in künstliche Welten versetzt.
Auch als Schauspieler hat Cronenberg, der zweimal verheiratet war und drei Kinder hat, immer wieder gearbeitet, zuletzt im vergangenen Jahr bei der TV-Serie „Alias Grace“. Hollywood hat ihm eine Star-Karriere ermöglicht, aber sein kanadisches Heimatland habe ihm auch die nötige Distanz gegeben. „Ich bin 2500 Meilen von Hollywood entfernt und sehe mich auf halber Strecke zwischen Hollywood und Europa was meine Kino-Sensibilität angeht. Als Kanadier bin ich außerhalb des amerikanischen Mainstreams und das erlaubt mir, Wahrnehmungen zu haben, die ich sonst nicht hätte.“
Außerdem trage seine Herkunft auch zu seiner Lebensfreude bei. „Ich bin Kanadier, was soll ich sagen? Natürlich bin ich ein sehr leichtlebiger Mensch und das überrascht die Menschen wegen meiner Filme. Ich sorge mich um die Umwelt, um die Zukunft des Planeten und als Existenzialist denke ich, wenn ich sterbe, dann ist es das Ende. Die Menschen denken sich vielleicht: „Mein Gott, das ist eine schreckliche Art zu leben.“ Aber nein, ich bin eigentlich sehr optimistisch und glücklich.“
[Barbara Munker und Christina Horsten]
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