Pointen & volle Postsäcke – der DDR-„Wunschbriefkasten“

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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YouTube gab es noch nicht – aber den „Wunschbriefkasten“. Wer im DDR-Fernsehen einen bestimmten Künstler noch einmal sehen wollte, setzte sich am Sonntagnachmittag vor das TV-Gerät. Aber natürlich wurde nicht jeder Wunsch erfüllt.

Die Post mit Wünschen kam säckeweise. Die beliebten Moderatoren der Sendung hatten bei der Auswahl aber kein Mitspracherecht. Selbst ihre Moderationstexte wurden ihnen vorgegeben. Dennoch war der „Wunschbriefkasten“ beliebt – bei den moderierenden TV-Paaren ebenso wie bei den Zuschauern.

Wer in der DDR einen Ausschnitt aus einer TV-Sendung noch einmal sehen wollte, schrieb einen Brief, adressiert an den „Wunschbriefkasten“ in Berlin-Adlershof. Ob Oper oder Schlager, Kabarett oder Kriminalfilm: Sonntagnachmittags wurden im DDR-Fernsehen eine Stunde lang Zuschauerwünsche erfüllt. Auch West-Künstler erschienen zur besten Kaffee- und Kuchen-Zeit auf dem Bildschirm. Vor 45 Jahren, am 27. Januar 1974, wurde die Sendung erstmals ausgestrahlt.
 
„Noch heute werde ich auf den „Wunschbriefkasten“ hin angesprochen, weil viele Kinder von einst sich noch an mich erinnern können, weil dies eine Nachmittagssendung war, an der sie, häufig gemeinsam mit der Oma, vor dem Fernseher sitzen durften“, berichtet Lutz Jahoda (91), einer der Moderatoren. „Es war stets auch für uns Moderatoren ein heiterer Nachmittag.“
 
Moderiert wurde die Sendung immer im Wechsel von Uta Schorn und Gerd E. Schäfer sowie Heidi Weigelt und Heinz Rennhack. Als Rennhack 1988 nach Westberlin übersiedelte, wurde Jahoda sein Nachfolger. Kurz nach dem Mauerfall kam dann das Aus für den „Wunschbriefkasten“.
 
Eine Szene aus einer Sendung ist noch heute im Internet zu finden: Uta Schorn und Gerd E. Schäfer sitzen auf nostalgischen braunen Holzstühlen an einem rundem Tisch mit gelblicher Decke. Darauf liegen Briefe. Hinter ihnen steht eine Palme. Die beiden plaudern ein wenig, dann wird ein Wunsch erfüllt: Die Gibson Brothers, ein Brüdertrio aus Martinique, das einige Disco-Hits sang, bringen einen Hauch von weiter Welt ins DDR-Wohnzimmer.
 
So manch Künstler aus „kapitalistischem Feindesland“ war aber bei der Redaktion tabu. Jahoda: „Eine kurze Zeit war sogar Udo Jürgens unerwünscht, weil er mit Bundespräsident Kiesinger einmal vierhändig Klavier spielte. Doch wurde dies bald aufgehoben.“ Heinz Rennhack (81) berichtet, eigentlich seien zu 75 Prozent Ausschnitte mit West-Künstlern gewünscht worden. Die Künstler aus dem Westen Deutschlands seien aber „gesiebt“ worden. „Man wollte lieber Österreicher – das waren Ausländer.“
 
Jahoda sagt: „Da gelegentlich auch Starsänger aus Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, aus Österreich, Filmgrößen aus Schweden und einmal sogar Louis Armstrong in der DDR auftraten, konnten wir auch diese Wünsche erfüllen.“
 
Die Briefe seien von der Redaktion der Sendung gelesen worden, sagt Rennhack. „Echte Wünsche habe ich nicht zu Gesicht bekommen.“ Auch die Moderationstexte seien vorgeschrieben worden. „Wir haben nicht frei moderiert. Wir bekamen den fertigen Text einen Tag vorher“. Die Sendung sei immer nachts aufgezeichnet worden. Der Entertainer erinnert sich daran, dass dabei „30 bis 50 Prozent der Zeit drauf ging wegen kaputter Kameras. Wir mussten alles x-Mal wiederholen.“ Aber die Sendung habe auch einen großen Vorteil gehabt: „Dadurch wurde ich populär. Es war eine der Sprossen zu meiner Karriere.“
 
1990 wurde die Sendung eingestellt. Viele Jahre später gab es noch einmal ein kleines Comeback: den „Adlershofer Wunschbriefkasten“ in der ARD. Drei frühere „Wunschbriefkasten“-Moderatoren erinnerten mit Hilfe von Archivmaterial noch einmal an beliebte Humorszenen, Trickfilme, Schlager und Stars aus eineinhalb Jahrzehnten DDR-Fernsehgeschichte. [Sophia-Caroline Kosel]

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