Di Entscheidung ist gefallen: In der Nacht zum Montag wurden in Los Angeles wieder die besten Filme und Darsteller des Jahres mit den Oscars geehrt. Hollywood zeigte sich dabei von seiner komödiantischen aber auch politischen Seite.
Eines der politischsten Statements des Abends kam in allerletzter Minute. Der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu hatte seine Oscar-Dankesrede für den besten Film schon gehalten, da griff er sich erneut das Mikrofon. Er widme seinen Preis auch den jungen Immigranten der USA: „Ich bete dafür, dass sie mit derselben Würde und demselben Respekt behandelt werden wie diejenigen, die vor ihnen kamen und diese unglaubliche Einwanderer-Nation aufgebaut haben“, sagte er mit seiner Trophäe in der Hand. Iñárritus Rede war symptomatisch für diese 87. Oscar-Verleihung: Inmitten einer fast schon langweilig abgespulten Show lieferten die Gewinner die stärksten und eindringlichsten Momente.
Die Film-Akademie bewies mit ihren Entscheidungen in diesem Jahr durchaus ein Gespür für absurde Produktionen. Nicht nur „Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit“ sicherte sich vier Oscars, auch die deutsche Ko-Produktion „Grand Budapest Hotel“ von Wes Anderson wurde mit vier Goldjungen geehrt. Beide Komödien sind eigentlich eher Hollywood-untypisch, folgen sie doch stilistisch und erzählerisch nicht den gewohnten Konventionen, sondern durchbrechen sie mit chaotischem Durcheinander („Birdman“) oder detailverliebtem Ideenreichtum („Budapest“).
Und doch werden die diesjährigen Oscars sicher nicht als besonders innovativ oder gewagt in Erinnerung bleiben. Im Gegenteil. Die meisten Entscheidungen waren vorhersehbar und bewegten sich innerhalb eines klaren Schemas: Vor und hinter der Kamera standen vor allem weiße Männer, und fast alle nominierten Filme erzählen von Problemen der weißen (US-)Mittelschicht. Egal, ob „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, für das der herausragende Eddie Redmayne als Physiker Stephen Hawking zu Recht als bester Darsteller ausgezeichnet wurde, oder eben „Birdman“ um einen abgehalfterte Hollywoodschauspieler.
Das Filmexperiment, das über zwölf Jahre gedrehte Drama „Boyhood“ über einen Heranwachsenden, musste sich dagegen mit einem Oscar für Patricia Arquette als bester Nebendarstellerin begnügen. Und für das Bürgerrechtsdrama „Selma“ über den schwarzen Freiheitskämpfer Martin Luther King gab es einen Trost-Oscar für den besten Original-Song. Überhaupt durften schwarze Schauspieler nur Preise überreichen, aber keinen entgegennehmen. „Heute ehren wir Hollywoods Weißeste, äh, Entschuldigung, Hellste“, hatte Moderator Neil Patrick Harris gleich zu Beginn der Show noch sarkastisch prophezeit.
Es waren daher einige Gewinner, die für die emotionalsten Momente sorgten. Patricia Arquette nutzte die Bühne für den ersten Appell des Abends. „Nun ist endlich unser Moment gekommen – für gleiche Löhne und gleiche Rechte für Frauen in den Vereinigten Staaten von Amerika“, rief sie unter dem frenetischen Applaus von Stars wie Meryl Streep. John Legend, der für den „Selma“-Song „Glory“ gewann, erinnerte in seiner Rede an die Ungleichheit, die in den vergangenen Monaten schwarze Bürger wie in Ferguson zu Protestmärschen auf die Straße brachte: „Es sind heute mehr Schwarze unter Kontrolle der Justiz als zu Zeiten der Sklaverei 1850. Leute, die zu unserem Lied marschieren, sollen wissen, wir sind bei euch. Marschiert weiter!“
Während für die deutschen Zuschauer zunächst eine Sendepanne bei ProSieben minutenlang zu einem Standbild führte und erhitzte Twitter-Kommentare auslöste, war es dann eine spätere Entscheidung der Oscar-Akademie, die für einigen Wirbel sorgte. In der Kategorie beste Dokumentation ging der Deutsche Wim Wenders zwar leer aus, dafür gewann die deutsche Ko-Produktion „Citizenfour“ über Edward Snowden – den Mann, der die geheimen Machenschaften des US-Geheimdienstes NSA enthüllte und das Ansehen der USA international erheblich schädigte. Immerhin eine spannende politische Fußnote bei den diesjährigen Oscars. [Aliki Nassoufis/fm]
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