Er war der größte „Dracula“ der Filmgeschichte, nun hat Christopher Lee die Leinwand für immer verlassen. Vergangenen Sonntag ist der britische Schauspieler im Alter von 93 Jahren verstorben. Seine Rollen als Dracula oder Saruman werden jedoch für immer unvergesslich bleiben.
Wenn er im schwarzen Cape als Graf Dracula aus seinem Sarg steigt und nach einem zarten Frauenhals sucht, schaudert es den Zuschauer auch heute noch. Kein anderer Vampir der Filmgeschichte hatte seine Noblesse, seine Würde – und seine Bedrohlichkeit. Am Sonntag starb der britische Schauspieler Christopher Lee, der berühmteste Mime unter den Leinwand-Blutsaugern, im Alter von 93 Jahren in London, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung von Kensington und Chelsea bestätigte. Atembeschwerden und Herzprobleme sollen die Ursache gewesen sein.
Für den Gentleman unter den Vampirdarstellern war die Rolle Segen und Fluch zugleich: Als „Graf Dracula“ feierte er Ende der 50er Jahre seinen internationalen Durchbruch in dem Film von Terence Fisher. Eine richtige Schauspielschule hatte Christopher Frank Carandini Lee nicht besucht – und drohte zunächst zu scheitern. Mit 1,96 Metern Körpergröße und dunklem Aussehen wirkte er bedrohlich. Frankenstein-Darsteller Boris Karloff empfahl ihm, es mit dunklen Charakteren zu versuchen – es klappte.
In den späten 1950er Jahren kam die Rolle des Dracula auf ihn zu. Wenn Lee dem Blutsauger eine aristokratische Note verlieh, lag das vielleicht daran, dass er selbst aus gehobenen Verhältnissen kam: Seine Mutter war eine italienische Gräfin, der Vater englischer Oberst. Nach ihrer Scheidung zog die Mutter mit dem kleinen Christopher zunächst in die Schweiz. Dort verkörperte er bei einer Schulaufführung seinen ersten Bösewicht: Rumpelstilzchen.
Die Dracula-Rolle brachte ihm 1958 den internationalen Ruhm ein, legte ihn jedoch gleichzeitig fest auf das Genre des Horrorfilms. Bis in die 1970er Jahre hinein spielte Lee den Vampir. Entsprechend lange dauerte es, bis der in London geborene Gentleman sich vom Monster-Rollenfach lösen konnte – neben Dracula war er auch als Frankenstein oder als Fu Man Chu zu sehen. In „Der Mann mit dem Goldenen Colt“ spielte Lee den Widersacher von James Bond, auch als Sherlock Holmes flimmerte der lange Brite über die Kinoleinwände.
In den 70er Jahren verlegte Lee seinen Wohnsitz in die USA – nicht zuletzt wohl deshalb, um seiner Karriere eine Wendung zu geben. Unter anderem Billy Wilder hatte ihm den Wechsel empfohlen. „Ich konnte nicht sehen, dass hier irgendwas passiert, außer einer Fortsetzung dessen, was es schon nicht mehr gab“, sagte er einmal zur Begründung. Von Anfang an ist er jedoch auch in Hollywood festgelegt – auf den Bösewicht vom Dienst.
Privat ist Lee ein ganz anderer: In den Jahren vor seinem Tod engagierte sich der Schauspieler für das Kinderhilfswerk Unicef, für seinen Einsatz wurde er von der Organisation „Cinema for Peace“ geehrt, von Königin Elizabeth II. wurde er 2009 zum Ritter geschlagen. Auf der Welt sterben jedes Jahr Millionen Kinder – da sei man einfach gefordert zu helfen, sagte Sir Christopher in einem Interview.
Christopher Lee war in seinem Schauspielerleben in mehr als 250 Rollen geschlüpft – dafür erhielt er einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde als Schauspieler mit den meisten Filmauftritten. Doch Lee brauchte viel Geduld, bis nach Dracula wieder gute Angebote kamen. 1999 besetzte Arthouse-Regisseur Tim Burton ihn in seinem Gruselmärchen „Sleepy Hollow“, es folgte sein Auftritt als finsterer Zauberer Saruman im Mega-Blockbuster „Herr der Ringe“. Mit Burton und seinem Filmpartner Johnny Depp drehte er 2005 auch noch den Kassenschlager „Charlie und die Schokoladenfabrik“.
Doch Christopher Lee hatte noch andere Talente: Der Kosmopolit sprach fließend Französisch und Italienisch und konnte sich auch auf Deutsch, Spanisch, Schwedisch und Dänisch gut verständigen. Nach vielen Jahren im Ausland lebte Lee zuletzt wieder in seiner Heimat Großbritannien. Er hinterlässt seine dänische Frau Birgit Kroencke und die gemeinsame Tochter Christina.
Lee spielte bis ins hohe Alter und dachte lange nicht ans Aufhören. „Es ist erstaunlich: Je älter ich werde, umso mehr Rollenangebote erhalte ich“, sagte der Brite der Deutschen Presse-Agentur bei einer Unicef-Gala im Alter von 89 Jahren. „Ich werde Filme drehen, so lange ich lebe.“ Sogar nach seinem Tod könnte noch ein Film mit ihm herauskommen: „Angels in Notting Hill“, in dem Lee eine Gottheit spielt, soll bereits produziert sein. Mit 92 Jahren nahm das Multitalent noch ein Heavy-Metal-Album auf. Mit seiner Single „Jingle Hell“ wurde er der älteste Musiker, der jemals den Sprung in die Charts schaffte. [Jasmin Takim und Michael Donhauser/ag]
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