Letzter Vorhang für das Millowitsch-Theater: Am Sonntag schließt die Kölner Institution nach mehr als 75 Jahren. Die ganze Zeit handelte sie im Auftrag von ganz oben. Konrad Adenauer hatte dem Theater 1945 eine besondere Mission mitgegeben.
Nur ein einziger Kölner hat schon zu Lebzeiten ein Denkmal bekommen: Willy Millowitsch (1909-1999), der Volksschauspieler. Am Sonntag (25. März) schließt sein Theater nun nach über 75 Jahren. „Weil ich den Theaterbetrieb nur aus privaten Renten-Rücklagen weiter aufrechterhalten kann, habe ich mich entschieden, den Schlussstrich zu ziehen“, erklärt der heutige Theater-Chef Peter Millowitsch, Sohn von Willy. „Das gute alte Volkstheater scheint langsam aus der Mode zu kommen.“
Der Aufstieg der kleinen Volksbühne zu bundesweiter Berühmtheit hatte 1945 begonnen. Köln lag in Trümmern, auch das Dach des Theaters war weggeblasen. Doch nun geschah etwas Unerwartetes. Der wiedereingesetzte Oberbürgermeister Konrad Adenauer bestellte Willy Millowitsch ein und verkündete: „Ich will, dat Se so bald wie möglich wieder Theater spielen können. Die Leute sollen wieder wat zu lachen haben.“ Die Bezugsscheine für das erforderliche Baumaterial und alles weitere werde er schon regeln.
Der 36 Jahre alte Millowitsch konnte sein Glück kaum fassen. „Nix lieber wie dat…“, stammelte er seinen Memoiren zufolge. Als er schon in der Tür war, rief ihn Adenauer noch einmal zurück: „Verjessen Se dat eine nich: Schicken Se mir zur Premiere zwei Karten. Aber Freikarten bitte!“ So wurde das Millowitsch-Theater das erste, das wieder öffnete. Jahrelang blieb es der einzige Lichtblick in der Mondlandschaft, die einmal Köln gewesen war.
Der in Köln aufgewachsene Regisseur Jürgen Flimm (76), heute Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden, hat das einmal wunderbar beschrieben: Wie er an Karneval mit seiner Mutter zur Kindervorstellung ins Millowitsch-Theater loszog, gekleidet in seinen Schlafanzug, der ihm als Kostümersatz diente, und mit dem Hut seines Vaters auf dem Kopf. Wie sie mit der Straßenbahn in die Innenstadt rumpelten und dann über die Trümmer kletterten bis zu Willys Theater.
Noch bevor man etwas sehen konnte, hörte man seine wohlbekannte heisere Stimme. Und dann – rumms! – stand er mit einem Mal auf der Bühne. „Mein heiß geliebter Willy!“, erinnerte sich Flimm. „Die Augen rollen, die roten Haare zittern, die Zähne blitzen, das Lachen so unendlich ansteckend.“
So hat das der Millowitsch damals mit den Kölnern gemacht. Und so machte er es wenig später auch mit den Deutschen. Sehr früh erkannte er die große Zukunft des Fernsehens und rannte dem Intendanten des Nordwestdeutschen Rundfunks die Türen ein. 1953 wurde erstmals ein Stück aus dem Theater übertragen. Wieder war Millowitsch der erste, und der erste prägt sich ein. 1962 erzielte das Stück „Tante Jutta aus Kalkutta“ eine Einschaltquote von 88 Prozent.
Spätestens seit Millowitschs Tod 1999 erlebte das Theater jedoch einen langsamen Niedergang. 2016 entschied sich der WDR, nach mehr als 60 Jahren keine Stücke mehr zu übertragen. Mariele Millowitsch (62), das jüngste Kind von Willy, äußert im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur Verständnis dafür: „Letztendlich orientiert sich auch ein öffentlich-rechtlicher Sender an Quoten.“
Die Entscheidung ihres Bruders, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, kann sie nachvollziehen, auch wenn sie es natürlich traurig findet. Millowitsch, die sich früh von dem Theater gelöst hat und mit Serien wie „Nikola“ und „Marie Brand“ bekannt geworden ist, tröstet sich damit: „Ich habe gelesen, dass der Schriftzug „Millowitsch“ hängen bleibt, und darüber freue ich mich sehr.“
[Christoph Driessen]
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