Von Tausenden Filmfans auf der Piazza Grande des Urlaubsortes am Lago Maggiore bejubelt, endet das Filmfestival Locarno mit der Preisverleihung. Die Jurys bedenken vor allem den Nachwuchs.
Der Goldene Leopard für den besten Film ist beim 64. Internationalen Filmfestival von Locarno an die argentinisch-schweizerische Koproduktion „Abrir puertas y ventanas“ („Back to stay“) gegangen. Die aus der Schweiz stammende argentinische Regisseurin Milagros Mumenthaler erzählt darin sehr sensibel die Geschichte von drei Schwestern, die nach dem Tod der Großmutter ihren Alltag alleine meistern müssen. Hauptdarstellerin Maria Canale, die die älteste des Schwesterntrios verkörpert, wurde im Hauptwettbewerb („Concorso Internazionale“) zudem als beste Schauspielerin ausgezeichnet.
Die Regisseurin Mia Hansen-Løve konnte mit der französisch-deutschen Koproduktion „Un amour de Jeunesse“ („Eine Jugendliebe“) eine „besondere Erwähnung“ der Jury erringen. Die Poesie der eigenwilligen Liebesgeschichte beeindruckte die Juroren, zu denen auch die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller („Requiem“) gehörte. Der Jury-Vorsitzende war der portugiesische Produzent Paulo Branco gewesen.
Ihren Spezialpreis, einen Silbernen Leoparden für einen herausragenden Film, gab die Jury dem Israeli Nadav Lapid. Sein Debüt „Hashoter“ („Policemen“) beleuchtet pointiert den Alltag von Israelis und Palästinensern. Der Film war einer der politisch spannendsten des Festivals.Sensibles Erzählen ohne grelle Effekte
Politisch war auch „Din dragoste cu cele mai bune intentii“ („Beste Absichten“) des Rumänen Adrian Sitaru. Für seinen erst zweiten Spielfilm, eine rumänisch-ungarische Koproduktion, erhielt er den Silbernen Leopard als bester Regisseur. Hauptdarsteller Bogdan Dumitrache wurde außerdem als bester Schauspieler ausgezeichnet.
Der Wettbewerb der Sektion „Cineasti del presente“ gehört von vornherein allein dem Nachwuchs. Die Jury dieses Wettbewerbs – Vorsitz: der deutsche Regisseur Christoph Hochhäusler – kürte das Jugendmärchen „L’estate di Giacomo“ (Italien/Frankreich/Belgien) mit einem Goldenen Leoparden. Es ist das Spielfilmdebüt des italienischen Regisseurs Alessandro Comodin.
Alle Jurys votierten für ein Kino sensiblen Erzählens ohne grelle Effekte. Die Jury des Hauptwettbewerbs betonte das mit der einmaligen Vergabe eines „Goldenen Leoparden als Spezialpreis der Jury“ an den Japaner Shinji Aoyama für, wie es hieß, „sein bemerkenswertes Filmschaffen“. In diesem Jahr zeigte er in Locarno den Film „Tokyo Koen“: eine leise Geschichte um junge Leute.Achtungserfolg für deutsche Filmproduktionen
Für deutsches Kino gab es einen „Pardino d’oro“, einen „Kleinen Leoparden in Gold“ für den von der Münchner Filmhochschule produzierten Kurzfilm „Rauschgift“ von Regisseur Peter Baranowski. Der Film lief im internationalen Wettbewerb der Festivalsektion „Pardi di domani“ (Leoparden von morgen). Diese Sektion blickt insbesondere auf Arbeiten von Studenten und Filmhochschulabsolventen.
In allen Sektionen dominierte Sensibles. Wie sehr die Zuschauer das schätzen, bewies nicht zuletzt der Publikumspreis. Er wird durch eine Umfrage ermittelt, aus dem Programm aller außerhalb der Wettbewerbe auf der Piazza Grande in open air gezeigten Filme. In diesem Jahr ging er an „Bachir Lazhar“ (Kanada). Regisseur Philippe Falardeau erzählt darin die Geschichte eines algerischen Immigranten in Montréal.
Die Preisverleihung in Locarno hat gezeigt: Olivier Père, erst zum zweiten Mal künstlerischer Leiter des Festivals, lag mit seiner Filmauswahl richtig. Der Zuspruch von Publikum und Jurys bei dem nach nun zehn Tagen glanzvoll beendeten Festival gehörte eindeutig dem Anspruchsvollen. [Peter Claus]
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