„Live by Night“: Langatmiger Gangster-Thriller von Ben Affleck

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Mit seinem Gangster-Thriller „Live by Night“ will Ben Affleck an den Erfolg von „Argo“ anknüpfen. Eine opulente Ausstattung kann aber nicht über Längen in der Geschichte und maue schauspielerische Leistungen hinwegtäuschen.

Ben Affleck hat einen guten Ruf in Hollywood, aber er hat ein Problem. Der gute Ruf kommt von Filmen wie „Argo“, dem klugen Thriller über die Geiselnahme in der US-Botschaft im Iran 1979. Affleck war vor vier Jahren auch der Regisseur des Projekts und es gelang ihm, eine heute noch wichtige Geschichte so schnell und eindringlich zu erzählen, dass es dafür drei Oscars zur Belohnung gab. Das Problem von Afflecks Filmen ist dagegen ein anderes: Es steht vor der Kamera und zeigt sich auch bei „Live by Night“, seiner vierten Regiearbeit. Es ist der Hauptdarsteller Ben Affleck selbst.
 
Der 44-Jährige spielt Joe Coughlin, einen Kleinkriminellen in den USA der Prohibitionszeit, der sich mit Überfällen auf illegale Kartenspielrunden in Hinterzimmern von Bars über Wasser hält. Schließlich wagt er sich an einen Banküberfall, aber die blinde Liebe zur Geliebten (Höhepunkt des Films: Sienna Miller) eines Mafiabosses lässt ihn einen Fehler machen. Er wird nach Florida versetzt und baut dort mit einem Helfer (zu wenig gefordert: Chris Messina) einen florierenden Alkoholschmuggel auf, bis schließlich alte Feinde aus der Vergangenheit wieder auftauchen.

Das Buch von Dennis Lehane liefert also genug Stoff für einen klassisch-opulenten Gangsterfilm – und tatsächlich ist die Ausstattung des Films sein größtes Plus: Die Oldtimer-Verfolgungsjagden erzeugen gleichzeitig Nostalgie und Action. Die übergroßen Anzüge der Männer und Abendkleider der Frauen zeigen, wohin das laut „Entertainment Weekly“ 65 Millionen Dollar schwere Budget floss. Selbst die wenig subtile Bildsprache, die Boston in kaltes Grau und Florida in Orangetöne wie aus dem Urlaubsprospekt setzt, wirkt schlüssig.
 
All diese Äußerlichkeiten treffen aber auf ein – ebenfalls von Ben Affleck geschriebenes – unmotiviertes Drehbuch, dem weder die großen Spannungsbögen noch die kleinen Details gelingen. 129 Minuten Laufzeit fühlen sich durch die plump entwickelten Charaktere deutlich länger an. Besonders Afflecks Hauptfigur Joe pendelt unentschlossen und mit leerem Blick zwischen unmoralischem Gangster und fürsorglichem Liebhaber hin und her.
 

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Wenn eine seiner Frauen ihm sagt: „Du bist beinahe Du selbst, ich will dein wahres Selbst!“, dann wünscht man sich vom Hauptdarsteller Ben Affleck das gleiche. Stattdessen raunt er aus dem Off bedeutungsschwere, aber letztlich sinnlose Sätze wie „Es reicht nicht, die Regeln zu brechen. Man muss stark genug sein, eigene Regeln aufzustellen“. Eine überspannte Rachegeschichte zum Ende des Films tut ihr Übriges und steht in gehörigem Widerspruch zum coolen Gangsterduktus der zwei Stunden zuvor.
 
In den USA stieß der Film dann auch nach durchwachsenen Kritiken auf taube Ohren, das Einspielergebnis war lau. Zu groß ist in der aktuellen Oscar-Saison das Angebot an deutlich präziseren Filmen und relevanteren Themen. Affleck hat mit dem Krimi-Drama „The Town“ und „Argo“ längst bewiesen, dass er auch das kann – Hollywood wird ihm den kleinen Aussetzer „Live by Night“ verzeihen.Kinokritiken im Überblick
[Christian Fahrenbach/buhl]

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