Liselotte Pulver und ihr Sexbomben-Traum – Lilo wird 90

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Ohne das legendäre Lachen geht es bei Liselotte Pulver bis heute nicht. Mit 90 schwelgt die Schauspielerin gerne in Erinnerungen an vergangene Zeiten – und tritt ab und zu auch noch aufs Gaspedal.

Der Reporter der Zeitschrift „Film“ war angesichts von Liselotte Pulver aus dem Häuschen: „Eine junge, seidenhaarige Jagdhündin ist diesem Wesen ähnlich, so wach beobachtend, so schnell und klug auf jeden Eindruck reagierend, so etwas unbeholfen schlank, flink, verspielt und mit einem so ahnenden Auge“, schrieb der Mann 1953 verzückt über „Liselotte aus der Schweiz.“ Man ahnt das legendäre Lachen, das der Schweizer Schauspielerin bei diesen Zeilen aus der Kehle kommt. Am 11. Oktober wird Pulver 90 Jahre alt.

Die Stilblüte mit der Jagdhündin hat sie aus ihrem umfangreichen Privatarchiv gefischt. Das Beste daraus, Fotos, Briefe, Filmplakate, Artikel und private Aufzeichnungen präsentiert sie in einem neuen Buch: „Was vergeht, ist nicht vergessen“. Sie lädt Leser damit zu einer Reise in die Zeit des deutschen Wirtschaftswunderkinos ein.
Sie lache weiter laut und gerne, schreibt sie, zum Beispiel, wenn sie an ihrem Seniorenheim in ihrer Heimatstadt Bern durch die Felder spaziert und eine galoppierende Kuh sieht. Die Botschaft: Mir geht’s gut. Sie ist sogar noch mit ihrem Mercedes Coupé unterwegs, wenn ihr der Sinn danach steht.
Pulver beschreibt etwa, wie sie unter Billy Wilders Regie ihren „Traum von der Sexbombe“ verwirklichen durfte. Als Fräulein Ingeborg tanzte sie 1961 im Pünktchen-Kleid und mit aufgepepptem Busen in Wilders Film „Eins, Zwei, Drei“ so verführerisch auf dem Tisch, dass buchstäblich die Wände wackelten – und zeigte damit, dass sie das Zeug zur Schweizer Antwort auf Hollywood-Star Marilyn Monroe hatte.
Dabei setzte Pulver in den Nachkriegs- und Wirtschaftswunderjahren in ihren Rollen eher auf burschikos als sexy. Wie 1955 in „Ich denke oft an Piroschka“, in dem Film betörte sie als junge Ungarin Piri einen deutschen Studenten. Der Name des Ortes, Hódmezővásárhely, gehe ihr bis heute ohne Probleme über die Lippen, schreibt Pulver. Im „Wirtshaus im Spessart“ wickelt sie als Räuberbraut einen verarmten Grafen um den Finger.
Pulver stand mit Filmgrößen wie Hans Albers, Gustaf Gründgens, Heinz Rühmann, Curd Jürgens, O.W. Fischer und Hardy Krüger vor der Kamera, und in Frankreich unter anderem mit Jean Gabin. Sie habe sich in jeden ihrer Co-Stars verliebt, hat sie oft erzählt. Rühmann sei ihr lebenskluger Ratgeber gewesen, Jürgens ihr kritischer Geist. „Du hast einen Scheißfilm gemacht, mach schnell einen anderen hinterher“, habe er ihr bei einer Gala mal ins Ohr geraunt, ehe er lächelnd weiterging.
Pulver träumte von einer Weltkarriere, und drehte Ende der 50er Jahre tatsächlich auch in Hollywood. Sie hätte neben Charlton Heston in „El Cid“ vor der Kamera stehen können, doch sagte sie wegen Dreharbeiten in Deutschland ab. „El Cid“ wurde mit Sophia Loren ein Welterfolg. „Die Unterschätzte, die fast ein Weltstar geworden wäre“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einmal über Pulver.
Der Film, den Pulver stattdessen drehte, brachte ihr aber privates Glück: In „Gustav Adolfs Page“ lernte sie den deutschen Schauspieler und Regisseur Helmut Schmid kennen. 1961 heirateten die beiden, ein Jahr später drehten sie zusammen „Kohlhiesels Töchter“.
„Er war mein Nonplusultra“, schreibt Pulver über ihre große Liebe. Schmid starb 1992. Die beiden bekamen zwei Kinder. Sohn Marc-Tell lebt mit seiner Familie in Pulvers einstigem Haus in Perroy am Genfersee. Tochter Mélisande stürzte 1989 mit 21 Jahren vom Berner Münster.
Pulver ist zwar vor allem als Fräulein-Wunder in witzigen Komödien in Erinnerung, sie konnte aber auch ernste Rollen spielen: als Schriftstellerin Juliane Thomas im Kinoerfolg „Die Zürcher Verlobung“ 1957 an der Seite von Paul Hubschmid etwa, als Zaza in „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ 1957, in den „Buddenbrooks“ oder als lesbische Äbtissin in der Diderot-Verfilmung „Die Nonne“.
Mit dem Aufkommen des Neuen Deutschen Film Ende der 60er Jahre war ihre Glanzzeit vorbei. In der Ära von Regisseuren wie Werner Fassbinder und Wim Wenders war statt Unterhaltung im Film Gesellschaftskritik angesagt. „Für mich brachen schwierige Zeiten an. Ich war bei den Machern des Neuen Deutschen Films nicht die erste Wahl“, schreibt sie. Sie drehte weniger Filme. In den 80er Jahren war sie in der „Sesamstraße“ im Kinderfernsehen. Ihr letzter Kinofilm war „Das Superweib“ 1996 mit Veronica Ferres. „Nein, es wird keinen weiteren Film mit mir geben“, stellt sie in dem Buch klar.

[Christiane Oelrich, dpa/rs]

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