Mit dem Bürgerkrieg als Thema begibt sich Regie-Ikone Steven Spielberg in „Lincoln“ in ein schwieriges Feld – und wird dafür belohnt: Sein Historiendrama über den ehemaligen US-Präsident gilt mit zwölf Nominierung als Favorit für die Oscars. Am Donnerstag kommt das Drama auch in die deutschen Kinos.
Wie kann man einer Ikone der amerikanischen Demokratie gerecht werden? Es gibt etliche Spielfilme, Dokus und eine Unmenge Biografien über Abraham Lincoln (1809-1865), den 16. und wohl bedeutendsten Präsidenten der USA. Nun stellt Regisseur Steven Spielberg („Schindlers Liste“, „Der Soldat James Ryan“) ihn in den Mittelpunkt seines Kinofilms „Lincoln“. Dabei hebt er die Titelfigur aber nicht in den Olymp der Staatsmänner, sondern zeigt einen Politiker, der in einer entscheidenden Phase der US-Geschichte hartnäckig für seine Überzeugungen kämpft – nicht mit Waffen, sondern mit Worten, Witz und Argumenten.
Das für zwölf Oscars nominierte Drama beschränkt sich klug auf die vier Monate im Leben Lincolns, als der Bürgerkrieg seinem Ende entgegenging und der Präsident die gesetzlichen Grundlagen für die Abschaffung der Sklaverei schaffen musste. Es ging ganz profan darum, eine Mehrheit für dieses Ziel zu organisieren, eine Herkulesaufgabe angesichts der Mehrheitsverhältnisse.
Lincoln macht – ganz ähnlich wie heute Barack Obama – pragmatische Realpolitik, bindet frühere Konkurrenten in sein Kabinett ein und übt sich nach dem Ausspruch von Max Weber im „Bohren harter Bretter“. Demokratie als mühsames, unglamouröses Geschäft. Für die „New York Times“ entfaltet der Film „eine Lektion in Staatsbürgerkunde, energisch und mit moralischer Verve inszeniert“.
Das pointierte Drehbuch des Pulitzerpreisträgers Tony Kushner („Angels in America“) zeigt Lincoln als liebenswürdigen, etwas kauzigen Hinterwäldler, ein Provinzanwalt aus Springfield, Illinois, der für sein Leben gern Geschichten erzählt, dies meisterhaft beherrscht, und seinen politischen Scharfsinn und Ehrgeiz mit einer hart antrainierten Schrulligkeit tarnt.
Daniel Day-Lewis („Gangs of New York“, „There Will Be Blood“) hat sich diese Figur bis in die letzten Bartspitzen angeeignet, so als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Für diese Ausnahmeleistung wurde er bereits mit einem Golden Globe ausgezeichnet, der Oscar als „Bester Hauptdarsteller“ dürfte ihm Ende Februar ziemlich sicher sein. In „Lincoln“ gibt er neben dem Politiker einen fürsorglichen Vater, der seinen ältesten Sohn Robert (Joseph Gordon-Levitt) vor dem Krieg bewahren will, sich rührend um seinen jüngsten Spross Tad kümmert und im Dauerclinch mit seiner streitsüchtigen Ehefrau Mary (Sally Field) liegt.
Das grandiose Ensemble wird komplettiert von einer Riege großartiger Mitstreiter und Widersacher, angeführt vom bärbeißigen Sklaverei-Hasser Thaddeus Stevens (Tommy Lee Jones), dem gewieften Parteistrategen William Seward (David Strathairn) und dem alten Haudegen Preston Blair (Hal Holbrook).
„Lincoln“ ist aber trotz des Fokus‘ auf die Politik keineswegs eine staubtrockene Geschichtsstunde geworden, sondern brilliert als opulent in Szene gesetztes Kostümdrama, in erlesenen Braun- und Grau-Tönen eingefangen von Spielbergs langjährigem Kameramann Janusz Kaminski. Da kann man Bärte und Frisuren bestaunen, prächtige Sommerhäuser, Kutschen und gediegene Interieurs, selbst die vom Kanonenrauch verdüsterten Schlachtfelder des Bürgerkrieges leuchten in erlesener Melancholie wie Gemälde von Caspar David Friedrich.Kinokritiken im Überblick
[Johannes von der Gathen/fm]
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