Mit dem zehnfach Osar-nominierten Epos „Tiger & Dragon“ wurde er international zum Star, für den kontroversen „Brokeback Mountain“ und den bildgewaltigen „Life of Pi“ bekam er den Oscar als bester Regisseur. Auch mit 60 Jahren wagt er sich noch an ungewöhnliche Stoffe. Sein nächstes Projekt: Eine Kriegssatire.
Mit „Brokeback Mountain“ brachte Ang Lee eine der schönsten und gewagtesten Lovestorys auf die Leinwand. Die tragische Geschichte einer verbotenen Männerliebe, mit Heath Ledger und Jake Gyllenhaal als schwule Cowboys vor einer grandiosen Bergkulisse, brach 2005 in Hollywood Tabus. Und sie bescherte dem Regisseur seinen ersten Oscar. Lee, der an diesem Donnerstag (23. Oktober) 60 Jahre alt wurde, hat eine Leidenschaft für Geschichten, die sich um unerfüllte Liebe drehen.
„Sie ziehen mich nicht nur an, ich bin von ihnen besessen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa beim Kinostart seines erotischen Spionagethrillers „Gefahr und Begierde“ (2007). „Liebe, besonders die romantische Liebe, ist so gewaltig und so mysteriös…Ich kann sie auf der Leinwand noch größer darstellen oder sie unmöglich erscheinen lasse oder sie zum Scheitern bringen. Dadurch lernt man Demut“, resümierte Lee.
Spätestens mit der Liebeskomödie „Das Hochzeitsbankett“ (1993) um einen schwulen Taiwaner in New York, der seinen Eltern während eines Besuchs vorspielt, glücklich verheiratet zu sein, etablierte sich Lee – nicht nur in Hollywood – als vielversprechender Regisseur. Auf der Berlinale wurde „Das Hochzeitsbankett“ mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Das war der erste große internationale Preis des gebürtigen Taiwaners.
Lee war als Mitt-Zwanziger in die USA gekommen, um dort Theaterregie und Filmproduktion zu studieren. An der Universität in Illinois lernte er seine spätere Frau, ebenfalls eine Studentin aus Taiwan, kennen. Mit Jane Lin ist er seit über 30 Jahren verheiratet, das Paar hat zwei erwachsene Söhne. Seine Frau habe jahrelang das Geld verdient, er sei Hausmann gewesen, als es mit der Karriere noch nicht lief, verriet Lee im vorigen Jahr dem „Guardian“. „Ich hatte Glück, dass meine Frau die Familie unterhielt“. Er hätte sich nie etwas anderes als Filmemachen vorstellen können.
Mit Mut, Originalität und ganz unterschiedlicher Handschrift packte Lee nach seinem Durchbruch fast jedes Genre an. „Eat Drink Man Woman“ war ein satirisch-liebevoller Blick auf Traditionen und den Zusammenbruch einer Kultur. Er wagte sich an britische Literaturverfilmungen mit „Sinn und Sinnlichkeit“ und an uramerikanische Themen. In „Der Eissturm“ schaute er hinter die Fassade des scheinbar idyllischen US-Vorstadtlebens der 1970er Jahre. Mit „Hulk“ wurde er zum Comic-Action-Regisseur.
Doch Lee blieb auch seiner eigenen Kultur verbunden. In dem Martial-Arts-Epos „Tiger & Dragon“ zeigte er vor der exotischen Kulisse des alten China atemberaubende Kampfszenen im Mix mit einer epischen Lovestory. Hollywood honorierte das mit sensationellen zehn Oscar-Nominierungen. Lee gewann den Goldjungen für die beste fremdsprachige Produktion. Weitere Oscars gab es in den Kategorien Kamera, Ausstattung und Filmmusik.
Mit dem Spionage-Thriller „Gefahr und Begierde“ ließ er sich erneut auf eine Produktion in chinesischer Sprache ein, nur mit chinesischen Schauspielern gedreht. Er spielt während des Zweiten Weltkriegs in Shanghai, wo eine junge chinesische Agentin einen politischen Mord plant. „Es fordert mich schon, zu meinen eigenen Wurzeln zurückzukehren“, sagte Lee im dpa-Interview. „Ich möchte dort in meinem Kulturkreis gerne einen bleibenden Eindruck hinterlassen“.
Mit dem fantastischen Überlebens-Märchen „Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ schlug Lee einen völlig neuen Weg ein. Mit genialen 3D-Effekten und magischer Erzählweise holte er 2013 den zweiten Regie-Oscar. Im gleichen Jahr gehörte er an der Seite von Steven Spielberg, Nicole Kidman und Christoph Waltz zu der Jury des Filmfestivals in Cannes. Damals erklärte er, was für ihn einen Gewinnerfilm ausmacht: „Er muss uns überwältigen, auch wenn wir nicht genau in Worte fassen können, warum.“
Vor wenigen Wochen gab Lee sein nächstes Projekt bekannt. Er wird den Roman „Billy Lynn’s Long Half Time Walk“ („Die irre Heldentour des Billy Lynn“). Es ist eine Kriegssatire um gefeierte Irak-Veteranen, die in den USA auf eine Siegestour geschickt werden. „Geschichtenerzählen ist das Allerwichtigste für mich“, sagte Lee über das Projekt. Dieser Roman habe ihn sofort „gepackt“. [Barbara Munker/chp]
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