Kinokritik: „Ziemlich beste Freunde“ – Ein Traum von einem Film

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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„Ziemlich beste Freunde“ erzählt von einer verrückten und einzigartigen Freundschaft. Ebenso außergewöhnlich wie die Geschichte ist auch ihr phänomenaler Erfolg in den französischen Kinos. Wer die deutsche Produktion „Vincent will Meer“ mochte, dürfte den Streifen lieben.

Wenn sich Dinge schwer erklären lassen, werden sie gern zu einem Phänomen. So wie „Ziemlich beste Freunde“. In Frankreich redet keiner mehr von einem Film, sondern von einem „phénomène“. Die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem querschnittsgelähmten Aristokraten und seinem vorbestraften, frech-dreisten Pfleger ist mit über 15 Millionen Zuschauern Frankreichs erfolgreichster Film 2011 geworden. Ein Erfolg, der ebenso unwahrscheinlich und verrückt ist, wie die Geschichte selbst.
 
Größer könnten die Unterschiede zwischen zwei Menschen nicht sein: Philippe (François Cluzet) ist gebildet und reich. Driss (Omar Sy) ist frisch aus dem Gefängnis entlassen, Sozialhilfeempfänger, ein Großmaul und dunkelhäutig. Doch Philippe gefällt die offene und unbekümmerte Art von Driss, und er engagiert ihn als Pfleger – trotz der Warnungen seiner Freunde und Familienangehörigen. Der Job ist der Beginn einer einzigartigen Freundschaft.
 
Der Film von Eric Toledano und Olivier Nakache hat mit seiner guten Laune und seiner positiven Einstellung Chartsverdächtige Werke wie „Twilight 4“, „Tim und Struppi“ und den Filmpreis-Favoriten „The Artist“ weit hinter sich gelassen. Still und unbemerkt begann der Film seinen Eroberungszug. In nur wenigen Wochen wurde er in Frankreich zum meist gesehenen Film des Jahres. Demnächst soll er in rund 40 Ländern in die Kinos kommen, darunter auch ab März in den USA.

Soziologen und Philosophen haben über den Erfolg des Films spekuliert. Ihre Analyse: ein Happy-Go-Lucky-Film in Krisenzeiten, ein soziales Märchen, das die Franzosen an 1998 erinnert, als Frankreich seine multikulturelle Fußball-Weltmeister-Mannschaft hochjubelte. Monate lang wurde statt von den Trikolorefarben bleu-blanc-rouge (Blau-Weiß-Rot) von bleu-blanc-beur (beur steht für Franzosen mit Einwanderungshintergrund) gesprochen – als Zeichen gelungener sozialer Integration.
 
Nur: Ganz so unwahrscheinlich und märchenhaft ist der Film nicht. Er knüpft an eine wahre Geschichte an, die des 1993 nach einem Gleitschirmunfall vom Hals abwärts gelähmten Philippe Pozzo di Borgo und des damals 20-jährigen, frisch aus dem Gefängnis entlassenen Franzosen algerischen Ursprungs Abdel Sellou.
 
Den Regisseuren ging es weniger darum, einen Film über behinderte Menschen zu drehen. Im Mittelpunkt steht die Freundschaft zwischen zwei Männern, die ungleicher nicht sein können. Dabei spielen die Filmemacher ungeniert mit Kontrasten und Klischees, ohne dabei ins Lächerliche abzugleiten. Über ein Klischee setzt sich der Film jedoch hinweg: Driss wird trotz seines Milieus nicht rückfällig und nutzt die Freundschaft nicht aus, um Philippe auszunützen und zu betrügen.
 
Der Film berührt, vor allem auch durch die hervorragende Leistung von François Cluzet („Kleine wahre Lügen“) und des Newcomers Omar Sy, dessen ständig gute Laune und erfrischendes Lachen ansteckend sind. Beide haben sich neben Dany Boon und Kad Merad („Willkommen bei den Sch’tis“) in die Riege der Top-Duos des französischen Kinos gespielt, die für beste Unterhaltung und Lachsalven sorgen.Kinostarts der Woche
[Sabine Glaubitz]

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