Kein neuer „Parasite“: Warum „Mickey 17“ von Bong Joon-ho enttäuscht

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Naomi Ackie und Robert Pattinson
Foto: 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Nach dem Oscar-Gewinner „Parasite“ erzählt Bong Joon-ho in „Mickey 17“ von der Unsterblichkeit des Menschen. Das Resultat enttäuscht leider.

Bong Joon-hos neuer Film hat es aber auch nicht leicht gehabt. Nach dem meisterhaft ausgeklügelten und Oscar-prämierten Klassenkampf-Thriller „Parasite“ sind die Fußstapfen schlicht zu groß. Dabei besaß „Mickey 17“ allerlei Zutaten, um der nächste große Hit des südkoreanischen Regisseurs zu werden, wie DIGITAL FERNSEHEN vor der Premiere des Films auf der Berlinale ankündigte. Nun wurde „Mickey 17“ enthüllt und hinterlässt ein Gefühl der Ernüchterung. Und dieses Gefühl stellt sich tatsächlich recht früh ein, nämlich bereits nach dem ersten großen Akt und Prolog, bevor der Filmtitel eingeblendet wird und die eigentliche Handlung beginnt. Was Bong Joon-ho bis dahin erklärt und inszeniert, ist noch das große Highlight dieses Sci-Fi-Films, der hinterher arg ins Stocken gerät.

„Mickey 17“ spielt in der Zukunft, in der die Menschheit ferne Welten erkundet, um neue Kolonien zu gründen. Und natürlich werden derlei Projekte von ekelhaften Gestalten angetrieben, die damit ihre rassistischen wie imperialistischen Großmacht-Fantasien zu verwirklichen versuchen. Mark Ruffalo spielt hier mit samtenem Anzug und XXL-Gebiss quasi ein Zerrbild von Donald Trump, der nach einer Wahlniederlage die Perspektivlosigkeit anderer ausschlachtet, um sich in der Fremde als Herrscher aufzuspielen. Auf einer riesigen spiralförmigen Treppe, die sich in einer gläsernen Kuppel gen Himmel schraubt, warten Menschen darauf, an der Weltraummission teilnehmen und ihrer bisherigen lebensfeindlichen Umgebung entkommen zu können. Es ist eines der stärksten Bilder in diesem Film.

Robert Pattinson und sein Klon in "Mickey 17"
Foto: 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

„Mickey 17“ erzählt von der Ersetzbarkeit des Menschen

Einer dieser Menschen ist Mickey Barnes (Robert Pattinson), der gemeinsam mit einem Freund in die Schuldenfalle getappt ist. Der Traum vom Macaron-Geschäft ist geplatzt. Nun will eine Bande grausamer Gestalten das Geld eintreiben und schreckt dabei auch vor dem Einsatz einer Kettensäge zurück. Also flieht Mickey und erklärt sich blindlings dazu bereit, ein sogenannter Expendable zu werden. Diese Einwegmenschen, deren Fertigung auf der Erde für illegal erklärt wurde, im All aber noch geduldet wird, kommen dort zum Einsatz, wo Lebensgefahr droht. Egal ob Erkundungsmission oder Laborversuch: Stirbt der Expendable, druckt eine Maschine bereits den nächsten Klon der Person aus und schon kann die nächste Selbstmordmission starten.

Gleich zu Beginn liegt Mickey 17, so viele Versionen gab es schon von ihm, sterbend in Schnee und Eis. Als er wider Erwarten nicht von den Aliens auf dem fremden Eisplaneten Niflheim gefressen wird und überlebt, trifft er auf sein eigenes Ebenbild: Mickey 18. Ein Tabu in dieser Welt! Sogenannte Multiples, verschiedene, koexistierende Versionen ein und derselben Person, sind nicht erlaubt. Bonng Joon-ho eröffnet damit ein hochinteressantes Gedankenspiel über die menschliche Existenz inmitten einer raubtierkapitalistischen Verwertungsökonomie.

Robert Pattinson unter einem Raumschiff
Foto: 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Darum verschwendet der Film Potential

Nur: Genau wie die Romanvorlage von Edward Ashton, macht auch die Verfilmung recht wenig aus dieser Konstellation. Sie interessiert sich immerhin kurzzeitig für die sexuelle Komponente des Szenarios. Schließlich sind zwei Robert Pattinsons im Schlafzimmer besser als einer, oder? Und was wäre eigentlich, könnte man mit sich selbst und einer weiteren Person im Bett liegen? Welche Potentiale menschlicher Selbstbespiegelung sich darüber hinaus anschließen könnten, träfe man auf sein eigenes Ebenbild; davon wollen der Roman und seine Adaption nur rudimentär etwas wissen. Und der Film ist hier noch oberflächlicher geraten. Er vergräbt seine anthropologische Studie noch stärker in Unmengen an konfusem Plot, der sich lieber auf eine Abrechnung mit dem imperialen Projekt seiner Politiker-Karikatur konzentriert.

Von der virtuos inszenierten, konzentrierten Versuchsanordnung eines „Parasite“ ist „Mickey 17“ leider weit entfernt. Stattdessen regiert vor allem buntes, comichaft überzeichnetes Hollywood-Blockbuster-Spektakel. Es ist dann und wann mit den stilistischen Eigenheiten des Regisseurs angereichert, gerade was den brutalen Slapstick-Humor anbelangt. Im Großen und Ganzen bleibt dieses Werk jedoch zu beliebig in ein Entertainment-Kino eingehegt, das seine Statements plump herausposaunt und am Ende noch dazu erhebliche Inkonsequenz und Orientierungslosigkeit in der Kritik an seiner eigenen Welt erkennen lässt. Bong Joon-ho ist talentiert darin, cleveres Kino für die Massen zu inszenieren. Leider ist von der Cleverness in der Umsetzung dieses Mal recht wenig zu spüren.

„Mickey 17“ lief als Special Gala Premiere im Rahmen der 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Ab dem 6. März 2025 läuft der Film regulär in den deutschen Kinos.

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