Zur Wiedereröffnung der deutschen Kinos wartet eine wahre Filmflut, darunter der Oscar-Gewinner „Nomadland“, der Horror-Hit „Conjuring 3“ und der ungewöhnliche deutsche Film „Ich bin ein Mensch“.
Über 20 Filme starten allein am 1. Juli in den deutschen Kinos, dazu gesellen sich zahlreiche Filme, die bereits in den vergangenen Wochen in einzelnen, bereits offenen Kinos zu sehen waren. Eine Übersicht über alle Neustarts gibt es hier. DIGITAL FERNSEHEN stellt drei besonders bemerkenswerte Kinostarts vor.
Nomadland
Chloé Zhao hat einen gespenstischen Film gedreht. Einen, der verlassene, von der Vergangenheit heimgesuchte Orte zeigt. In der eindrucksvollsten Sequenz wandelt die Protagonistin durch ihre frühere Heimat, inzwischen eine Geisterstadt, in der unzählige Bürgerinnen und Bürger ihre Existenz verloren haben. Und zugleich einen, der ur-amerikanischen Western-Geist atmet, der von Aufbruch erzählt, der das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ noch einmal in eindrucksvollen Naturpanoramen sucht. Eine Landvermessung, die mit langen, gleitenden Kamerafahrten im Zwielicht geschieht und irgendwo da draußen nach einer neuen Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens forscht.
Der dreifach Oscar-prämierte Film (Beste Hauptdarstellerin, Beste Regie und Bester Film) begleitet Fern (Frances McDormand), die nach der Großen Rezession ihre gesamte Existenz verliert. Als moderne Nomadin fährt sie nun in einem Van mit wenig Hab und Gut los, um von einem unsicheren Job zum nächsten zu ziehen. Für die kritische Systemanalyse, die solche Parallelgesellschaften hervorbringt, die Menschen in solche Lebensverhältnisse abrutschen lässt, ist Jessica Bruders Sachbuchvorlage da, Chloé Zhaos Verfilmung eher für Stimmungsbilder. Sie interessiert sich für das Subjektive, das Kleine im Großen, die Geschichten der Menschen, bei denen Hollywood-Stars auf Laien treffen, für die kleinen, poetischen, romantischen, faszinierenden Alltagsmomente, die das Elend vielleicht doch hervorbringt.
Die Ambivalenz des Nomadenlebens fängt „Nomadland“ gekonnt ein. Mit einem Gefühl von Freiheit, einer Geselligkeit, aber auch mit einer ständigen Hilflosigkeit und Existenzangst, kämpfend um Autonomie und Würde, bis die Saisonarbeit bei Amazon zum tragischen Glücksmoment verkommt. Schade, dass sich das alles irgendwann etwas ziellos im Naturkitsch nebst sentimentaler Klaviermusik verliert. Das grenzt letztlich immer mehr an einer Verklärung, die der Film eigentlich vermeiden und verkomplizieren will. Eine etwas gefällige Kapitalismuskritik, ein interessanter Dialog zwischen Film und Buch.
Conjuring 3: Im Bann des Teufels
Es erstaunt kaum, dass die „Conjuring“-Filme ein solcher Erfolg werden konnten. James Wans erfolgreicher Spukhaus-Hit fing mit seiner vermeintlich realen Begebenheit einerseits gegenwärtigen True-Crime- und Authentizitätsfetisch ab. Zugleich war er schlichtweg eine höchst talentiert inszenierte, wirkungsvolle Gruselgeschichte. Von dieser Faszination ist inzwischen wenig geblieben. Nachdem sich die zahllosen Spin-Offs von „Annabelle“ bis „The Nun“ längst in völliger Belanglosigkeit verloren hatten, ist nun auch die Mutter-Reihe nur noch eine untote Parodie der eigenen Anfänge.
„Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ ist ein furchtbar wirr erzählter und inszenierter Film. James Wan, der es bestens verstand, die einzelnen Schreckeffekte mit einem Spannungsaufbau zu versehen, sie atmen und wirken zu lassen, fehlt zweifellos. Teil 3 unter der Regie von Michael Chaves ist nur noch banal und laut. Die zahllosen Schocks verpuffen so schnell, wie sie auf das Publikum losgelassen werden. Vor allem aber verkommt der Katholizismus, der der Reihe von Anfang an innewohnte, immer mehr zur bedenklichen Lachnummer. Bisher war das zu verkraften. Die Vorgänger spielten in der heimischen, isolierten Sphäre, wo Ungläubige in Versuchsanordnungen erinnert wurden, dass da vielleicht doch eine wundersame Kehrseite der Zivilisation lauert, bis dann mit Hilfe der gläubigen Geisterjäger Ed und Lorraine Warren das Familienidyll doch wiederhergestellt werden konnte.
In „Conjuring 3“ ist nun alles größer, die Geschichte hetzt durch mehrere Schauplätze, geht nach draußen in die Welt. Dieses Mal bekommen es die Warrens mit einer Satanistin zu tun. Hintergrund ist der reale Fall eines jungen Mannes, der vor Gericht in den 1980ern angab, vom Teufel besessen zu sein. Der Film spinnt daraus eine generische Geisterbahnfahrt mit viel zu vielen Figuren und Versatzstücken, jeder Menge religiösem Kitsch und einer durch und durch reaktionären Moral, die am liebsten wieder Gott und Teufel in die Rechtsprechung mit einbeziehen will. Das ist schließlich leichter, als sich mit Menschen und deren Lebensumständen zu beschäftigen.
Am spannendsten ist „Conjuring 3“ dann, wenn er thematisiert, wie die die Warrens selbst in ihrem Glauben erschüttert werden, wie sie ihren eigenen, dunklen Zerrbildern begegnen. Vielleicht ist es ja diese zerstörerische Macht des Glaubens, die das Böse überhaupt erst hervorbringt? Immerhin eine interessante Erkenntnis, die dieser Film hervorbringt.
Ich bin dein Mensch
Das Thema der künstlichen Intelligenz mit allen Vorzügen, Ambivalenzen und Fallstricken ist in dieser Kinowoche gleich doppelt vertreten: mit „The Trouble With Being Born“ und „Ich bin dein Mensch“. Beides Filme, die 2020 und 2021 bei der Berlinale zu sehen waren, beide umjubelt. Während ersterer Film auf verstörende, unbequeme Weise von einem Sexroboter erzählt, der von seinem Erschaffer nach dem Abbild dessen verschwundener Tochter geformt wurde, kommt Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ nicht minder melancholisch, aber dennoch mit einer gewissen Leichtigkeit, einem verschmitzten Witz daher. Die „Unorthodox“-Regisseurin erzählt in ihrem neuen Film von der Wissenschaftlerin Alma, die einen humanoiden Roboter als Ersatz-Ehemann testen soll.
Man kennt solche Geschichten, in denen der Roboter dann die Oberhand gewinnt, die Menschen manipuliert und alles vermeintlich „echte“ Leben verdrängt. Aber nein, Maria Schrader verweigert sich, ihr Drama in Horror abgleiten zu lassen. Ihr gelingt es, viele bekannte Zutaten charmant und eigenwillig zu montieren, was man gerade von zahlreichen deutschen Genrefilmen nicht behaupten kann. „Ich bin dein Mensch“ entscheidet sich für ein unaufgeregtes, aber dennoch treffsicheres Sinnieren, gestaltet aus dem Sci-Fi-Szenario ein gegenwärtiges Großstadtstück über Emanzipation, Erfüllung und der Begegnung mit dem Anderen.
Man stelle sich einmal vor, der Roboter wäre schlichtweg eine menschliche Arbeitskraft, ein Mann aus Fleisch und Blut. Schraders Fremdheitsstudie würde auf ähnliche Weise funktionieren. Das eigentliche Drama entfaltet sich in der Erkenntnis, dass der Mensch, ohnmächtig gegenüber seinen Sehnsüchten, in dem Anderen immer nur sich selbst erkennt, nicht aber dessen eigene Gefühlswelt. Diesen Graben zu überwinden, davon erzählt die Tragikomödie.
Bildquelle:
- nomadlandmcdormand: The Walt Disney Company Germany