In Dänemark war „Helden der Wahrscheinlichkeit“ bereits ein Erfolg, jetzt läuft die schwarze Komödie mit Mads Mikkelsen auch in den deutschen Kinos.
Das Unglück knallt mit erschütternder Wucht in diesen Film. Ein Mann, Otto, bietet einer Frau den Sitzplatz in der U-Bahn an. Wenig später ist sie tot. Die gesamte Seite des Zuges wird zerfetzt. Thomas Jensen, der dänische Kultregisseur hinter „Adams Äpfel“ und „Dänische Delikatessen“, konstruiert seine neue Tragikomödie um diese zentrale Katastrophe, die aus einer fatalen Kettenreaktion zu entspringen scheint und weitere fatale Kettenreaktionen auslösen wird.
Auftritt Mads Mikkelsen. Er spielt in „Helden der Wahrscheinlichkeit“ den Witwer Markus, einen Kriegsheimkehrer, der sich nach dem Zugunglück seiner Frau nun um die hinterbliebene Teenager-Tochter kümmern muss. Weil Mads Mikkelsen zu den eindrucksvollsten Charakterdarstellern unserer Zeit gehört, muss kaum noch betont werden, dass der Däne ein weiteres Mal brilliert. Zuletzt zu sehen in dem Oscar-prämierten „Der Rausch„, wo er einen Lehrer mit Dauerpegel mimte, jetzt taucht er als grimmiger Hühne auf. Als von Trauer zerfressener Mann, dessen Kraft sich permanent ein neues Ventil suchen muss.
Abgründiger Klamauk
Überhaupt ist „Helden der Wahrscheinlichkeit“ ein äußerst grausamer Film. Da rauft sich zunächst eine Männerbande zusammen. Markus lernt plötzlich Otto nebst zwei weiteren schrägen Kumpanen kennen, die hinter dem Zugunglück eine große Verschwörung wittern und sich schon bald mit der kriminellen Unterwelt anlegen. Wie in seinen bisherigen Erfolgsfilmen liegen in Thomas Jensens neuem Film Schmerz und Lachen nicht nur neben-, sondern zunehmend übereinander.
Eigentlich gibt es da schon kaum noch etwas zu lachen bei all der makaberen und finsteren Situationskomik. Jensen ist mit „Helden der Wahrscheinlichkeit“ noch einmal abgründiger und trostloser, wenn auch nicht immer überzeugender geworden. Das Amüsement darüber ist eher pure Irritation ob der rohen Umgangsformen, die fast alle Figuren in diesem Film pflegen und dabei dennoch nach einer neuen familiären Konstellation suchen. Immer eröffnet sich noch eine Gelegenheit, fies zueinander zu sein. Dem Verbündeten landet ebenso die Faust im blutigen Gesicht wie dem Feind. Oder vielmehr: Dem, was man sich da als Feind zurechtspinnt.
Immer kommt es anders…
Ein interessantes Thema, das sich dieser garstige Film vorgenommen hat! „Helden der Wahrscheinlichkeit“ führt nur allzu konsequent eine gegenwärtige Gesellschaft vor, die überhaupt keine Begrifflichkeit von Schicksal mehr zu haben scheint. Wo alles nach Selbstverwirklichung, Erfüllung und höchster Glückseligkeit strebt, sitzen die Rückschläge umso fataler, Ja, sie werfen alle Betroffenen mit solcher Wucht um, dass sie gar nicht mehr aufstehen können. Früher hat man Zuflucht in der Religion gesucht, heute tun das manche immer noch, zugleich fehlt es an Ersatzsystemen. An einem anerzogenen, reflektierenden Umgang mit Katastrophen. „Helden der Wahrscheinlichkeit“ zeigt stattdessen ein (selbst-)zerstörerisches Suchen nach Sündenböcken.
Ein wenig verliert sich Jensens Drehbuch mit seinen Figuren in diesem herbeigeredeten Geflecht aus Verschwörungstheorien, nerdigen Monologen und Gewalt. So wild der provozierende Humor in alle Richtungen ausschlägt, so müht sich auch der Film durch eine etwas lose arrangierte Melange aus Komödie, Rachedrama, Familiengeschichte und Thriller. Eine Punktlandung am Ende sitzt trotz allem.
Hätte Jensen seiner düsteren Ader vollends freien Lauf gelassen, würde sein Film nach einem starken, melancholischen Erkenntnismoment bei Nacht konsequent enden. Stattdessen lässt er – um nicht zu viel zu verraten – vorsichtige Gnade walten. So ganz will das alles nicht passen, worauf dieser mal herrlich unterhaltsame, mal orientierungslose Rachetrip zusteuert. Man sucht da noch nach einer Art Happy End. Obwohl: In Jensens Filmwelt hat selbst das eher etwas von tristem Wundenlecken.
„Helden der Wahrscheinlichkeit“ läuft seit dem 23. September 2021 in den deutschen Kinos. Weitere Infos zum Film gibt es auf der offiziellen Website.
Bildquelle:
- heldenderwahrscheinlichkeit: 2020 Zentropa Entertainments3 ApS & Zentropa Sweden AB