Jahrzehntelang war Harald Schmidt mit seiner Fernsehshow Kult. Jetzt wird er 60, und man fragt sich: Wer ist der Mann, der schon so lange eine Kunstfigur gleichen Namens verkörpert?
Harald Schmidt ist auf der Straße nur schwer zu erkennen. Warum? Weil er nicht spricht. Dadurch wirkt er fremd, denn man kennt ihn aus dem Fernsehen natürlich nur als jemanden, der unentwegt redet. Aus diesem Gegensatz wird deutlich, dass es neben der Kunstfigur auch noch den Privatmann Harald Schmidt geben muss. Der aber bleibt für die Öffentlichkeit unsichtbar – auch an seinem heute anstehenden 60. Geburtstag.
Schmidt versteht es meisterhaft, persönliche Fragen höchst unterhaltsam zu beantworten, ohne dabei auch nur das Geringste von sich preiszugeben. Es ist der versierte TV-Talker, der Stand-up-Zyniker, der da spricht. „Da ist ja ’ne Kunstfigur“, hat er selbst eingeräumt. „Überhaupt, auch im Leben: Ich hab‘ mir so ’ne Figur erfunden.“ Wer aber ist der Mann hinter dieser Figur?
Es gibt auf diese Frage recht vernichtende Antworten ehemaliger Kollegen. „In Wirklichkeit ist Schmidt noch gemeiner als auf der Bühne“, hat Manuel Andrack, sein Sparring-Partner aus der „Harald Schmidt Show“, gesagt. Sein Sidekick aus „Schmidteinander“, der 20 Jahre ältere Herbert Feuerstein, stellte die These auf: „Schmidt ist kein Mensch.“
Leute, die Schmidt privat kennen und sich über ihn äußern, findet man in Köln so gut wie nicht. „Er ist nicht immer so wie im Fernsehen“, sagte der dpa vor Jahren mal Elke Heidenreich, seine Nachbarin aus dem Villenviertel Marienburg. Man könne sich ganz normal und unironisch mit ihm unterhalten, versicherte sie.
Ein einziges Mal hat Schmidt in den letzten Jahren in einem Interview etwas mehr von sich verraten. Das war 2013 in der WDR-Radiosendung „Mon Talk“. Mit ihrer unprätentiösen und direkten Art des Fragens entlockte ihm die Moderatorin Christine Westermann mehrere unwitzige – und damit dem Anschein nach ehrliche – Antworten. Hobbys habe er keine, stellte er klar, dafür fünf Kinder, über die er sich auf keinen Fall beklagen wolle: „Ich genieße das ja, das ist Trubel.“ Er brauche auch kein Arbeitszimmer, er schreibe notfalls mitten im Chaos. „Ich hör‘ ja auch an der Art, wie geschrien wird, ob ich eingreifen muss.“ Seine Liebe zur Musik – er ist studierter Kirchenmusiker – hat er auf die Kinder übertragen: Sie spielen Klavier, Cello und Geige.
Schmidt erzählte auch über seine eigene Kindheit im schwäbischen Nürtingen. Wie er als 15-Jähriger mit seinen Eltern auf dem Sofa saß und ihnen aus der „Zeit“ vorlas: „Der große Bühnenschauspieler Harald Schmidt…“ Seine Auftritte beschränkten sich zu dieser Zeit noch auf Parodien des Pfarrers seiner katholischen Heimatgemeinde. „Der Saal johlte. Ich wusste einfach, ich kann Leute zum Lachen bringen. Die Ironie und das Spotten war bei uns der Familienton.“
Über die endgültige Absetzung seiner Late-Night-Show, nach Sat.1 und dem Ersten zum Schluss beim Bezahlsender Sky, im Jahr 2014 hatte sich Schmidt in vielen Interviews betont abgeklärt geäußert, doch bei Westermann klang das plötzlich ganz anders: „Die Schwierigkeit ist nicht, den Erfolg zu genießen“, sondern den Abstieg „in den Griff zu kriegen“, räumte er ein. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms habe er einmal in einem Jahr zwölf Fernsehpreise bekommen. „Man weiß aber nicht, dass man sozusagen da jetzt gerade megamäßig angesagt ist, sondern man empfindet das einfach als normal. Und dann merkt man: Hoppla, jetzt ist es nicht mehr so, und dann dreht sich der Wind, und dann kommt die andere Seite.“
Sein Abschied vom Fernsehen – das darf man als sicher annehmen – ist ihm nicht so leicht gefallen, wie er vorgegeben hat. Darauf deutet auch eine kurze Szene in seiner letzten Sendung im Free-TV bei Sat.1 hin. Damals drehte Überraschungsgast Olli Dittrich den Spieß einfach mal um und sprach Schmidt kurzerhand auf seinen erzwungenen Abgang an. Das Ergebnis war ein Moment der Schwäche: Dem Meister der schlagfertigen Replik fiel nichts Witziges ein.
Was ihn letzten Endes nur sympathisch macht. Vielleicht irrt Herbert Feuerstein doch. Vielleicht ist Harald Schmidt ein Mensch. [Christoph Driessen]
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