George Clooney und Sandra Bullock heben ab: Die Hollywoodstars mimen in „Gravity“ zwei Astronauten, die nach einem Unglück hilflos durchs All treiben. Dabei überzeugt der Film mit seinen gewaltigen 3D-Bildern, die dank des Panoramas und der Schwerelosigkeit ihre volle Schönheit entfalten können.
Bei vielen Hollywood-Filmen scheint die 3D-Technik mittlerweile ein Muss zu sein. Vor allem in Actionfilmen fliegen die explodierenden Autoteile und Gebäude häufig dreidimensional auf die Kinozuschauer zu. Einen wirklichen Mehrgewinn hat das jedoch selten, oft wirken die 3D-Effekte aufgesetzt und forciert. Dass die Technik die große Leinwand aber auch optimal nutzen und ihre visuelle Wucht spektakulär feiern kann, beweist nun Regisseur Alfonso Cuarón: In „Gravity“ wird das Weltall mit all seiner Weite in 3D für die Darsteller Sandra Bullock und George Clooney zum Schauplatz eines scheinbar aussichtslosen Kampfes ums Überleben.
Bei einem Außeneinsatz der beiden Astronauten Dr. Stone (Bullock) und Matt Kowalsky (Clooney) kommt es zur Katastrophe: Ein Metallschauer zerlegt ihr Space-Shuttle, alle anderen Kollegen sind innerhalb weniger Minuten tot. Von einer Sekunde zur nächsten sind Dr. Stone und Matt Kowalsky völlig auf sich allein gestellt. Die Verbindung zur Erde ist abgebrochen und der Sauerstoffgehalt in Dr. Stones Raumanzug sinkt dramatisch. Einziger Hoffnungsschimmer scheint die Internationale Raumstation ISS zu sein, zu der die beiden Astronauten hintreiben wollen.
Die Oscar-Preisträger Sandra Bullock und George Clooney verkörpern dabei ein äußerst ungleiches Paar: Für Dr. Stone ist es der erste Einsatz im All, für Kowalsky hätte es eigentlich der Abschluss einer erfolgreichen Astronauten-Karriere sein sollen. Während sie panisch und hektisch agiert – und ihr dabei immer mehr kostbarer Sauerstoff verloren geht -, bleibt der erfahrene Kowalsky ruhig und versucht, das Problem rational zu lösen. Mit seiner wunderbar schnurrenden Stimme will er seine Kollegin zur ISS lotsen.
Der mexikanische Regisseur Cuarón, der nach „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ einst die düstere Zukunftsvision „Children of Men“ vorlegte, zeigt wie vor allem seine Protagonistin in eine zerstörerische Kettenreaktion und immer wieder neue, scheinbar ausweglose Situationen gerät. Das folgt zwar einer typischen Action-Dramaturgie, ist als Actionfilm aber doch äußerst ungewöhnlich: Die Bewegungen der Figuren sind wegen der Schwerelosigkeit verlangsamt und selbst Explosionen wirken teilweise wie in Zeitlupe. Der Überlebenskampf Hunderte Meter über der Erde scheint daher auf seltsame Weise entschleunigt und verzögert.
Dazu tragen vor allem auch die 3D-Bilder bei, mit denen der Regisseur sein Kammerspiel in den majestätischen Weiten des Alls zeigt. Die Kamera fängt den Panoramablick über der Erde ein, die Schönheit eines Sonnenaufgangs, das Gleiten durchs Weltall. Oder sie schwenkt von außen langsam in Dr. Stones Helm und vermittelt so ein Gefühl für die klaustrophobische Enge.
Deutlich schwächer ist allerdings Cuaróns Figurenzeichnung. Nur in wenigen Momenten wird „Gravity“ auch zu einem berührenden, tiefgründigen Drama. Kurz nach der ersten Katastrophe etwa, als Kowalsky Dr. Stone in ein Gespräch über deren Leben, ihre Zielen und Wünsche verwickelt. Das baut Cuarón jedoch nicht aus, sondern begnügt sich im späteren Verlauf sogar mit etwas simplen psychologischen Erklärmustern. Denn Dr. Stone leidet nicht nur unter dem Tod ihres Kindes – es ist auch dieser tragische Vorfall, der sie im Verlauf von „Gravity“ zum Kämpfen im All antreibt.
Und doch trägt Bullock diesen Film auf beeindruckende Weise fast allein. Schließlich verliert sie nach einiger Zeit auch Clooney als Astronauten Kowalsky und ist nun wirklich verlassen. Zäh fordert sie ihren durchtrainierten Körper beharrlich heraus und kommt doch an ihre Grenzen. Irgendwann liegt Bullock in Embryohaltung zusammengekauert in einer Weltraumkapsel, isoliert und doch mittendrin im Geschehen.
Da wird sie wieder deutlich: die Wucht, die Cuaróns Optik erzeugt und mit der er selbst komplizierte Fragen zur menschlichen Existenz visuell beantworten kann. Über die Einsamkeit zum Beispiel, den Wunsch nach Nähe oder das Über-sich-Hinauswachsen. Es sind dann auch diese durchkomponierten Bilder auf der großen Kinoleinwand, die als die große Stärke von „Gravity“ in Erinnerung bleiben.Kinokritiken im Überblick
[Aliki Nassoufis/fm]
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