Als Schimanski ist er Kult – doch Götz George kann noch mehr als nur Kommissar. Der Ausnahmeschauspieler bringt in der nächsten Woche seinen wohl persönlichsten Film ins Fernsehen.
Kürzlich hat Götz George wieder eine Kostprobe seiner Schnoddrigkeit geliefert. Als er in Berlin den Film „George“ über seinen Vater Heinrich vorstellte, ließ er sich zwar aufs Podium bitten, schmetterte vor dem gespannten Premierenpublikum aber jede Frage gnadenlos ab. Sie sei falsch gestellt, dazu könne er nichts sagen und überhaupt sei er nicht der richtige Ansprechpartner. Rumms.
Götz George darf das, vielleicht muss er es inzwischen sogar. Der Ausnahmeschauspieler, der am Dienstag (23. Juli) 75 Jahre alt wird, pflegt sein Image als Raubein – und die Liebe des Publikums ist ihm dafür gewiss. Wer 48 mal mit abgewetztem Parka als Ruhrpottkommissar Schimanski vor der Kamera stand, muss einfach ein abgefahrener Typ sein und möglichst oft „Scheiße“ sagen.
Mit dem Draufgänger aus Duisburg hat der gebürtige Berliner George Fernsehgeschichte geschrieben. Gegen die distinguierten, abgeklärten Herren, die bisher auf der Mattscheibe ermittelten, verkörperte er 1981 erstmals den coolen Cop, der mit lockeren Sprüchen, harten Prügeleien und reichlich Bier auf Verbrecherjagd geht. „Was quatschst du mich so blöd an, du Spießer, nur weil ich ’ne Fahne habe?“, raunzt er sein Gegenüber einmal an.
29 „Schimmi“-Folgen liefen zwischen 1981 und 1991 im Rahmen der ARD-Krimireihe „Tatort“. 1997 widmete das Erste seinem erfolgreichen Helden eine eigene Reihe mit dem Kult-Logo „Schimanski“. Der ist inzwischen Rentner und hat einen Gang zurückgeschaltet, ist aber immer noch ein Straßenfeger. Allein die erste Folge „Die Schwadron“ sahen fast 13 Millionen Menschen. Noch in diesem Jahr soll die 17. Ausgabe mit dem Arbeitstitel „Loverboy“ folgen.
Trotzdem hat sich George nie gern in die Krimischublade stecken lassen. Mit Ehrgeiz, Spielfreude und unglaublicher Vitalität profilierte er sich in seiner langen Karriere als einer der vielseitigsten deutschen Schauspieler.
Er spielte den KZ-Arzt Josef Mengele („Nichts als die Wahrheit“) und einen an Alzheimer erkrankten Busfahrer („Mein Vater“), einen homophilen Taschendieb („Das Trio“) und einen blinden Klavierlehrer („Der Novembermann“), einen Öko-Aktivisten („Lüg weiter, Liebling“) und einen todgeweihten Staatsanwalt („Nacht ohne Morgen“).
Eine seiner berühmtesten Rollen hatte er als homosexueller Massenmörder Fritz Haarmann in „Der Totmacher“, der 1995 das Filmfestival von Venedig eröffnete. Zugleich bewies er in Satiren wie „Schtonk!“ oder „Rossini“ auch sein komödiantisches Talent. 2007 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Fernsehpreis geehrt.
Erst „George“, der Film über seinen legendären, wegen seiner Karriere in der Nazi-Zeit aber auch umstrittenen Schauspieler-Vater Heinrich George (1893-1946), hat jetzt deutlich gemacht, wie sehr der Sohn zeitlebens von dem „Übervater“ geprägt war – und getrieben.
„Du hast mich halt immer überholt. Du warst halt immer besser, besessener“, sagt George in der ARD-Dokumentation an die Adresse seines toten Vaters. Der Film wird einen Tag vor seinem 75. Geburtstag bei Arte (22.7./20.15 Uhr) und einen Tag nach dem Geburtstag im Ersten (24.7./21.45 Uhr) ausgestrahlt wird. Von der Lieblingsrolle des Vaters, Goethes „Götz von Berlichingen“, hat er auch seinen Vornamen.
Der kleine Junge ist acht, als der Vater in sowjetischer Gefangenschaft stirbt. Für ihn und den älteren Bruder Jan wird die Mutter Berta Drews zur zentralen Bezugsperson. Selbst Schauspielerin, weckt sie auch in ihrem „Putzi“, wie sie den Sohn bis an ihr Lebensende nennt, die Liebe zum Theater. Mit elf steht er erstmals auf der Bühne, mit fünfzehn hat er neben Romy Schneider seinen ersten Filmauftritt in der Romanze „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“.
40 Hauptrollen auf der Bühne und 120 Kino- und Fernsehfilme folgen – angefangen von den Karl-May-Abenteuern in den 60er Jahren bis zum „Tod einer Polizistin“ im Januar 2013. Seine physische und psychische Präsenz, seine Wandlungsfähigkeit und sein Rollenverständnis tragen ihm immer wieder gute Kritiken ein. „Ich muss die Figuren inhalieren, anders kann man es gar nicht sagen, ich inhaliere sie, ohne intellektuell darüber nachzudenken“, verriet er einmal.
Zu den Medien hat George trotz seines Erfolgs ein gespanntes Verhältnis; dem Fernsehen wirft er auch mal vor, „nur noch auf Kohle und Quote“ zu schauen. In Deutschland ist er deshalb nur mehr zum Arbeiten und Steuern zahlen, wie er sagt. Ansonsten zieht er sich mit seiner gut 20 Jahre jüngeren Lebensgefährtin Marika Ullrich in sein Refugium auf Sardinien zurück. Schlagzeilen machten ein schwerer Badeunfall 1996 und eine Herzoperation 2007.
In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa zog er aus Anlass seines Films „Nacht ohne Morgen“ eine positive Lebensbilanz. „Ich bin immer einen recht gradlinigen Weg gegangen“, sagte er da. „Damit habe ich sicher auch immer wieder Menschen vor den Kopf gestoßen, aber ich habe mich nicht verbiegen lassen.“[Nada Weigelt/hjv]
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