Trotz Star-Besetzung kann die Verfilmung des Erfolgs-Thrillers „Girl on the Train“ nicht überzeugen. So sprunghaft und zerrissen die Figuren sind, präsentiert sich auch der Film, bei dem vor allem Emily Blunt überzeugt.
Als Buch war „Girl on the Train“ ein Bestseller mit weltweit mehr als 15 Millionen verkauften Exemplare. Eine Frau fährt täglich mit dem Zug dieselbe Strecke und blickt dabei in die Häuser entlang der Bahngleise. Eine Voyeurin, der besonders ein junges Paar gefällt, das einfach perfekt erscheint und in dessen Leben sie sich hineinträumt. Eines Tages aber macht sie eine schockierende Beobachtung, und als sie sich einmischen will, gerät sie in einen Strudel aus Lügen, Intrigen und Gewalt. Tate Taylor („The Help“) hat den Erfolgskrimi nun verfilmt, hervorragend besetzt mit Schauspielern wie Emily Blunt, Rebecca Ferguson und Justin Theroux.
Wirklich überzeugen kann der Film allerdings nicht: Trotz vieler spannender Momente wirkt die Geschichte zerfasert und nimmt erst gegen Ende richtig Fahrt auf. Das mag auch an der Romanvorlage von Paula Hawkins liegen, die es Filmemachern nicht gerade leicht macht.
Mit vielen Rückblenden erzählt sie aus der Perspektive von drei Frauen: Rachel, die nach zwei Jahren Trennung immer noch ihrem Ex-Mann Tom (Justin Theroux) nachtrauert und ihren Frust im Alkohol ertränkt. Anna (Rebecca Ferguson), die Neue an Toms Seite, die in dem Haus wohnt, das Rachel eingerichtet hat und das Baby bekommen hat, von dem ihre Vorgängerin einst träumte. Und Megan (Haley Bennett), die mit Scott die scheinbar perfekte Beziehung führt, die aber ein dunkles Geheimnis hütet und eines Tages spurlos verschwindet.
Was im Buch funktioniert, ist im Film nicht ganz geglückt, wenngleich manches aus dramaturgischen Gründen modifiziert wurde. Doch Taylor schafft es nicht, die Erzählstränge zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Die Geschichte wirkt sprunghaft, ohne roten Faden, bisweilen verwirrend. So haben die einzelnen Figuren wenig Möglichkeiten, sich zu entfalten.
Getragen wird der Film, dessen Handlung von London nach New York verlegt wurde, vor allem von Emily Blunt („Sicario“). Sie spielt Rachel als zerrissene Persönlichkeit, die sich regelmäßig betrinkt, bis zum Filmriss. Diese Lücken in ihrem Leben jagen ihr große Angst ein und panisch versucht sie, diese zu füllen und herauszufinden, was während dieser Zeit passiert ist. Eine kaputte Frau, die Blunt mit großer Intensität auf die Leinwand bringt, mitleiderregend und abstoßend zugleich. Irgendwo in ihrem alkoholumnebelten Gedächtnis ist die Lösung für Megans Verschwinden. Zwischendurch scheint die Erinnerung zum Greifen nah, doch Rachel kann sie trotzdem nicht fassen.
Bis zum Schluss bleibt unklar, ob Rachels wilde Theorien über Megans Schicksal tatsächlich stimmen oder ihren Alkoholfantasien entstammen – eine Reminiszenz an Alfred Hitchcocks „Fenster zum Hof“, in dem ein neugieriger Nachbar glaubt, einen Mord gesehen zu haben. An das Werk des Altmeisters mit der hochspannenden Mischung aus Voyeurismus und Obsession kommt Taylor bei weitem nicht heran. Auch die Raffinesse von David Finchers „Gone Girl“ erreicht „Girl on the Train“ nicht, trotz einiger Parallelen – auch hier verschwindet eine Frau, die Polizei steht ratlos vor zahllosen Spuren und Hinweisen, die alle ins Leere zu laufen scheinen.
Trotzdem liegt genau in dieser Frage auch die Stärke des prominent besetzten Films: Kann man Rachel trauen? Kann sie sich überhaupt selbst trauen? Mit aller Kraft will sie sich aus ihrem klaustrophobischen Rauschzustand befreien und gegen ihre inneren Dämonen ankämpfen. Ein Versuch, der immer wieder scheitert. Dieses Ringen um Klarheit setzt Taylor in „Girl on the Train“ geschickt in Szene, ist es doch für ihn eines der wichtigsten Elemente seines Thrillers.Kinokritiken im Überblick
[Cordula Dieckmann/buhl]
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