Ob Bescheidenheit oder Koketterie – Mark Knopfler bezeichnet sich gern als Handwerker an der Gitarre. Mit den Dire Straits war er ein Weltstar, als Solomusiker trat er mehrere Schritte zurück. Virtuos und erfolgreich blieb der Brite dennoch.
Es ist typisch für Mark Knopfler, wie er sein außergewöhnliches Talent herunterspielt. Der Brite, seit seiner Zeit mit der Band Dire Straits einer der großen Gitarrenhelden, sagte kürzlich in Interviews staubtrocken: Er spiele „wie ein Klempner“, übe immer noch viel, aber es reiche eigentlich nicht: „Liederschreiben und Liederspielen entfernt einen von seinem spielerischen Können. Würde man nur Instrumentalmusik spielen, dann würde auch das spielerische Vermögen wachsen.“
Am Montag (12. August) wird der so bescheidene wie (letztlich dann doch) geniale Gitarren-Handwerker, Sänger, Songwriter, Produzent und Filmmusikkomponist 70 Jahre alt. Wer ihn zuletzt voller Energie und guter Laune bei seiner Welttournee zum neunten Solowerk „Down The Road Wherever“ (2018) gesehen hat, wird sich auf noch so einige schöne Knopfler-Alben freuen dürfen: Songs zwischen Rock, Folk, Pop, Blues und Jazz von einem Virtuosen, der den Megastar-Stress mit Stadionkonzerten und immer aufwendigeren Hochglanzproduktionen vor fast 30 Jahren bewusst hinter sich ließ – und zu seinen eigenen Bedingungen trotzdem erfolgreich blieb.
„Ich hörte meinen Onkel Kingsley auf dem Piano Boogie-Woogie spielen, als ich ungefähr acht oder neun war“, erzählte der in Glasgow geborene, im Nordosten Englands aufgewachsene Knopfler einmal einem Journalisten über seine Anfänge. „Und ich dachte mir, dass diese drei Akkorde die großartigste Sache auf der Welt seien – und das tue ich bis heute.“ Als Teenager lernte er Gitarre zu spielen, trat in Clubs auf und kratzte Geld für ein Journalistik-Studium in Leeds zusammen, das er 1973 abschloss.
Doch Rockmusik zu machen war viel attraktiver, als darüber zu schreiben: Also gründete Knopfler 1977 mit seinem Bruder David, dem Bassisten John Illsley und dem Schlagzeuger Pick Withers die Dire Straits. Der Bandname, zu Deutsch etwa „ernsthafte Notlage“, spielte auf die anfangs schwierige finanzielle Lage des Quartetts an, das mit seinem traditionellen Stil so gar nicht in die von Punk und New Wave dominierte musikalische Landschaft passte. Doch dann kam „Sultans Of Swing“.
Der quirlige Gitarrenpop-Song vom selbstbetitelten Debütalbum (1978) war der Treibstoff für eine 18-jährige atemberaubende Bandkarriere. Sechs Studioplatten veröffentlichten die Musiker, rund 120 Millionen Exemplare sollen davon über die Ladentheken gegangen sein. Auf das formidable „Love Over Gold“ (1982) folgte der über 30 Millionen Mal verkaufte kommerzielle Höhepunkt „Brothers In Arms“ (1985) – nicht zuletzt erfolgreich als High-End-Vorzeigealbum für die damals neue Compact-Disc (CD).
In den glitzernden 80er Jahren waren die Dire Straits mit ihrem frühzeitig kahl werdenden Frontmann sehr untypische globale Stars, weil allesamt ohne jeden Glamour-Faktor. Doch den Nummer-eins-Platzierungen, Platin-Auszeichnungen und ausverkauften Tourneen zum Trotz – der dreimal verheiratete, zurückgezogen lebende Vater von vier Kindern wollte etwas Anderes.
„Es war mir alles zu laut und zu groß geworden. Es ging nicht mehr um die Musik“, sagte Knopfler später über das Ende der Band.Mit dem Soundtrack zur schottischen Romantikkomödie „Local Hero“ hatte er bereits 1983 sein erstes, noch instrumentales Solowerk herausgebracht – ein vor allem künstlerischer Triumph. Auf diesem selbstständigen, selbstbewussten Weg ging Knopfler weiter. Er fuhr sein Engagement für die Dire Straits immer weiter zurück und legte dann unter eigenem Namen „Golden Heart“ (1996) sowie das immens erfolgreiche „Sailing To Philadelphia“ (2000) vor.
Seither halten seine treuen Fans alle zwei bis drei Jahre eine weitere mindestens solide, häufig hervorragende Platte von Mark Knopfler in den Händen – zuletzt das sich verstärkt dem Balladen-Jazz nähernde „Down The Road Wherever“ (Platz 3 der deutschen Albumcharts). Seine sonore, angeraute Baritonstimme passt perfekt zu den ausgeruhten Liedern, die er heute vorwiegend einspielt. Auch als Mitspieler von Legenden wie Bob Dylan, Emmylou Harris, Randy Newman, Tina Turner oder Van Morrison beweist Knopfler sein enormes Können. Das Fachblatt „Rolling Stone“ listet ihn unter den 50 besten Gitarristen der Musikgeschichte.
Und doch kommt immer wieder mal die Frage nach einer Dire-Straits-Reunion auf – auch gut 20 Jahre nach der Auflösung. Knopfler hat dazu erst kürzlich ein Zeichen gesetzt, als er im April 2018 die offizielle Aufnahme der Band in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ schwänzte.
Das sei natürlich „eine tolle Auszeichnung, sehr liebenswürdig, doch ich war zum Zeitpunkt der Feier sehr beschäftigt“, sagte Knopfler nonchalant der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Und fügte in der „Süddeutschen Zeitung“, auf Wiedervereinigungspläne angesprochen, ganz deutlich hinzu: „Oh nein. Auf keinen Fall.“ Es bleibt also wohl beim freiwilligen, würdevollen Zurücktreten eines der großen Rock-Superstars in die zweite Reihe. [Werner Herpell]
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