Öko-Thriller und groteske Komödie, Polizeigewalt und Muttergefühle. Dieser isländische Film verbindet die Extreme und plädiert für zivilen Ungehorsam.
Die Frau führt das perfekte Doppelleben: Als Chorleiterin achtet die 50-jährige Halla penibel auf Gleichklang und scheint innerlich zu jubeln, wenn alle Stimmen harmonieren. Danach packt die Einzelgängerin aber ihren Werkzeugkoffer, fährt in die isländische Einöde und sägt Strommasten um. Die expansive Aluminiumindustrie auf der Atlantikinsel ist der übermächtige Gegner, an dem sich diese durchaus militante Powerfrau, die liebend gern Fahrrad fährt, abarbeitet.
In ihrer Wohnung hängen Porträts von Mahatma Gandhi und Nelson Mandela – Widerstand und ziviler Ungehorsam sind für die mutige Halla erste Bürgerpflicht. Sich selbst schont sie bei ihren gefährlichen Aktionen am allerwenigsten. Aber plötzlich wird ihr schon fast vergessener Adoptionsantrag bewilligt: in der Ukraine wartet ein vierjähriges Waisenmädchen auf Halla. Und alles ändert sich.
Mit viel Gespür für Nuancen und groteske Momente hat der isländische Regisseur Benedikt Erlingsson („Von Menschen und Pferden“) seine Tragikomödie „Gegen den Strom“ in Szene gesetzt, die im englischen Original treffender „Woman at War“ heißt. Sein bewegender Film, der im November mit dem Lux-Filmpreis des EU-Parlaments ausgezeichnet wurde, ist kein naives Öko-Drama, sondern das differenzierte Psychogramm einer von ihren Zielen felsenfest überzeugten Kämpferin in Zeiten der Klimakrise.
Dabei kann sich Erlingsson ganz auf seine großartige Hauptdarstellerin Halldóra Geirharðsdóttir verlassen. Die isländische Theaterschauspielerin schafft es eindrucksvoll, uns diese Figur nahe zu bringen. Sie zeigt den ganzen Zwiespalt zwischen berechtigter Empörung über die Umweltzerstörung und einem Aktionismus, der selbstzerstörerische Züge annimmt. Am Ende wird diese Powerfrau bei ihren Sabotageakten von Drohnen mit Wärmebildkameras gejagt, sie ertrinkt fast in einem reißenden Fluss. Ganz knapp entgeht sie der Polizei, und liegt schließlich völlig erschöpft im warmen Wasser eines Geysirs.
Die zweite Hauptrolle in „Gegen den Strom“ spielt natürlich die grandiose, oft menschenleere Landschaft Islands. Aber Benedikt Erlingsson schwelgt nicht genießerisch in dieser hinreißenden Naturkulisse, sondern baut kleine Irritationen und Verfremdungen ein. Die Filmmusik kommt von einer dreiköpfigen Band, die nur wir Zuschauer im Hintergrund sehen. Und dann sind da noch drei Sängerinnen in folkloristischer Kleidung, ein ukrainischer Chor, der betörend schön singt und die Heldin in ihrem Kampf begleitet.
Die Tragikkomödie „Gegen den Strom“ läuft ab dem 13. Dezember 2018 in ausgewählten Kinos.[Johannes von der Gathen]
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