Mit seiner Fantasy-Saga hat George R.R. Martin die Grundlage für „Game of Thrones“ geschaffen. Die Serie beim Bezahlsender HBO hat längst ein Eigenleben entwickelt. Nun wird der Kultautor 70.
Auf Facebook und Twitter angemeldet hat er sich dann irgendwann doch, womöglich auf Drängen eines Marketing-Assistenten. Ein Mann der alten Schule ist Schriftsteller George R.R. Martin, dem Fans die literarische Vorlage der Serie „Game of Thrones“ verdanken, trotzdem geblieben: „Ich bin ein Dinosaurier, das werden alle meine Freunde euch sagen. Ein Mann des 20. Jahrhunderts, nicht des 21.“, schrieb er vor einigen Jahren auf seinem Blog. Am 20. September wird der Dinosaurier 70 Jahre alt.
Fantasiewelten und packende Geschichten geisterten in Martins Kopf schon in frühen Tagen herum, und dass, obwohl – oder gerade weil – seine Heimat wenig Spannung bot. „Meine Welt war fünf Straßenblocks lang, ich kam selten über diese fünf Blocks hinaus, außer in meiner Vorstellungskraft“, erinnerte er sich an seine Kindheit in ärmlichen Verhältnissen. Vom Fenster einer Sozialwohnung in New Jersey beobachtete der Sohn eines Hafenarbeiters die Schiffe in der New Yorker Bucht und fragte sich, was für „exotische Rätsel und Wunder“ auf der nahegelegenen Insel Staten Island wohl lauerten.
Den täglichen Horror, Science-Fiction und Aberglaube an das Übernatürliche lieferten ihm TV-Sendungen wie „Thriller“ und die „Twilight Zone“. Die Monster-Geschichten, die George Raymond Richard in der Grundschule schrieb, verkaufte er Kindern in der Nachbarschaft. In der High School ging er über zu Superhelden und arbeitete für die Schülerzeitung. Nach einem Journalismusstudium veröffentlichte er 1971 seine erste Kurzgeschichte namens „The Hero“ im Science-Fiction-Magazin „Galaxy“, 1977 folgte das Romandebüt „Dying of the Light“.
Den Fotos auf Martins Website nach tummelte er sich gern auf etwas Nerd-lastigen Science-Fiction-Treffen in den Metropolen des amerikanischen Hinterlands. „Ich selbst gehe nur aus professionellen Gründen auf Conventions“, schrieb er – darunter folgt eine ganze Reihe von Fotos mit jungen, weiblichen Fans. Martin ist inzwischen in zweiter Ehe verheiratet und lebt in Santa Fe in New Mexico. Eigenen Aussagen zufolge überredete er seine Frau mit grünen Chilis und frittiertem Gebäck dazu, aus Oregon in den Südstaat zu ziehen.
Für Millionen „Game of Thrones“-Fans ist das alles eher Randgeschehen. Martins ab den 1990er Jahren entstandene Romanreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ (fünf Bände, zwei weitere sind geplant) ist beim Bezahlsender HBO seit 2011 zu einer Fantasyserie herangewachsen, die heute ihresgleichen sucht. Zuschauer warten gierig auf neue Folgen und weiteren Lesestoff Martins und sezieren die Handlungsstränge bis ins letzte Detail. Es ist eine düstere, erbarmungslose Welt, die ihre Vorlagen teils in der Zeit der Rosenkriege, Kreuzzüge und des sogenannten Hundertjährigen Kriegs findet.
In diesen Machtkämpfen geht Martin mit seinen Figuren keineswegs zimperlich um: Mehr als 1200 Charaktere hat er laut einer Zählung der „Washington Post“ bereits sterben lassen. Völlig unerwartet rafft es Publikumslieblinge dahin, andere werden von der Handlung überraschend begünstigt. „Ich tendiere dazu, mich nicht als ihr Mörder zu sehen. Die anderen Figuren töten sie. Ich weise alle Schuld von mir“, sagte Martin dem britischen „Telegraph“ im Jahr 2016.
Der Vergleich zu „Herr der Ringe“-Autor J.R.R. Tolkien fällt oft. Aber Martins Figuren, die mit ganz eigenen Zielen und Absichten handeln, scheinen komplexer und vielschichtiger. „Echte Geschichte ist nicht so einfach“ wie bei Tolkien, sagt auch Martin: Wenn Aragorn im „Herr der Ringe“ als König etwa „weise und gut“ regierte, sei das verkürzt, sagte Martin dem „Rolling Stone“. Was sei denn Aragorns Steuerpolitik gewesen, hatte er ein stehendes Heer? Und wie handelte er bei Fluten und Hunger? „Im echten Leben hatten echte Könige mit Problemen aus dem echten Leben zu kämpfen“, sagt Martin.
Der begehrte Stoff aus seinen Büchern hat längst ein Eigenleben entwickelt. Zwölf Millionen Menschen guckten das Finale der siebten Staffel in den USA, die achte Staffel soll 2019 laufen. Diesen Sommer war „Game of Thrones“ als Musikspektakel in Deutschland, komplett mit Chor, Orchester, Solisten und Bühne. HBO denkt unterdessen schon weiter und will die Kämpfe um den Thron des Kontinents Westeros als Prequel produzieren. Martin, der als Produzent der Serie mitwirkt, scheint den Hype locker zu nehmen. Vergangenes Jahr erklärte er, dass er „Game of Thrones“ zwar schaue, aber wegen seiner Reisen gar nicht auf dem letzten Stand sei. [Johannes Schmitt-Tegge]
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