„Free Fire“: Actiondrama feiert Komplexität der Schießerei

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Eine Lagerhalle, ein fehlgeschlagenes Geschäft, eine Schießerei: Was nach einer beliebigen Szene in einem Actionfilm klingt, ist tatsächlich der Inhalt des neuesten Films von Ben Wheatley. „Friendly Fire“ inszeniert die komplexen Seiten des Kugelhagels.

Der britische Regisseur Ben Wheatley mag Genrefilme – sie sind seine Spielwiese. Seit seinem Debüt „Down Terrace“ im Jahr 2009 probierte sich der Autorenfilmer etwa durch die Genres Familiendrama und schwarze Komödie, Horror und Dystopie. Sein neuer Film „Free Fire“, bei dem Martin Scorsese ausführender Produzent war, spielt nun unter Gangstern im Boston des Jahres 1978.
 
Wheatley wollte wohl einmal eine abendfüllende Schießerei in einer Lagerhalle erzählen. Und zwar so, wie Schießereien wirklich ablaufen, mit Querschlägern und „friendly fire“. Ein viel zu schnelles Geschehen zwischen Zufall und Taktik, unterbrochen von quälenden Phasen des Lauerns, was der Gegner als Nächstes macht.

Die Handlung ist denkbar simpel: Die Bostoner Geschäftsfrau Justine (Brie Larson) versucht einen Waffendeal zwischen IRA-Schergen (darunter Cilian Murphy) und hiesigen Waffenhändlern (darunter Armie Hammer) über die Bühne zu bringen.
 
Natürlich geht alles schief. Die Chemie und die Ware stimmen nicht. Dann erkennen zwei Anwesende (Jack Reynor und Sam Riley) einander als Gegner aus einer Kneipenschlägerei wieder. Kurze Zeit später liegen alle in Deckung und schießen wild aufeinander. Schüsse krachen, Projektile prallen an Metallteilen ab und fliegen um Ecken, Patronen klemmen in Pistolenläufen.
 
Die gute Stunde, in der die Kugeln und die markigen Sprüche fliegen, ist lustig. Vor allem aber ist sie tatsächlich sehr eigen, anders als herkömmliche Filmschießereien. Während jene oft schon im Drehbuch nur mit Ach und Krach funktionieren, steckt hier viel Planung und Wille zum Realismus dahinter.
 
Grundlage für den detailbesessenen Wheatley und seine Co-Autorin Amy Jump war ein FBI-Bericht über eine Schießerei im Miami der 1980er, erzählte der Regisseur: „Die Agenten mussten über jeden einzelnen Schuss Rechenschaft ablegen. Und der Bericht schildert minutiös, zu welchen Verletzungen es kam.“ Ferner erfahre man, dass man an den meisten Schussverletzungen nicht sofort stirbt und wie schwer es ist, einen bewegliches Ziel zu treffen.
 

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Die gründliche Vorbereitung sieht man „Free Fire“ an. Jede Einstellung sitzt, die Kamera löst das Geschehen taktisch in Aktion und Reaktion auf. Sie wechselt zwischen den Schützen, zeigt ihre Blicke und ihre Rufe nach dem Gegner, der irgendwo da draußen ist. Gleichzeitig wird das Geschehen nie übersichtlich. Die Kamera erlaubt den Zuschauern kaum bessere Orientierung als den Figuren.
 
Wheatleys Film will aber mehr. Er zeigt sich tatsächlich am existenziellen Ausmaß des Schieß-Geschehens interessiert. Entsprechend fühlt man mit, wie die Überlebens-Kandidaten angeschossen um die Wette robben. Eigentlich sind sie viel zu müde zum Weitermachen, aber ihr Wille ist ungebrochen. Und vor allem missgönnen sie den anderen das Durchkommen. Eine Darstellungsaufgabe, die das gesamte Ensemble großartig leistet.
 
Man könnte kritisieren, dass man von den Figuren kaum mehr als das Nötigste erfährt. Muss man aber nicht. In Wheatleys Film-Logik sind die Figuren, was sie tun. Und in diesem Fall ist die Lagerhalle ihre Welt. Für Fans gut gemachten Gangster-Kinos ist „Free Fire“ daher ein Fest. Allerdings nur, wenn sie auch fiese Todesarten gut wegstecken. Denn manche Szene dieses Films tut schon richtig weh.Kinokritiken im Überblick
[Fabian May/buhl]

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