„Der Vorleser“, „Operation Walküre“ oder „Der Ghostwriter“ – Filme, die nicht etwa im großen Hollywood gedreht worden sind, sondern mitten in Deutschland, in Babelsberg entstanden. In diesem Jahr wird das Filmstudio 100 Jahre alt und gilt damit als das älteste Großatelier-Filmstudio der Welt. Zeit, einmal hinter die Kulissen zu blicken.
Das große Jubiläum feiert die Filmschmiede mit einer Gala am morgigen Sonntag (12. Februar). Als Wiege des deutschen Films begonnen, macht sich der Standort heute vor allem mit internationalen Kinoproduktionen einen Namen. DIGITALFERNSEHEN.de sprach mit Pressesprecher Eike Wolf, warum es so viele Filmgrößen nach Deutschland zieht.
Er formuliert es zunächst ganz pragmatisch. „Die Gründe liegen vor allem im Finanzbereich“, sagt er im Gespräch mit DIGITALFERNSEHEN.de. Besonders die Filmförderung spiele bei der Standortsuche eine große Rolle. Hier in Deutschland werden bis zu 20 Prozent des Budgets über den Deutschen Filmförderfonds zurückerstattet. Bei einem Film wie „Inglourious Basterds“, der insgesamt 70 Millionen Dollar kostete (52,8 Millionen Euro), kamen so schon mal 6,8 Millionen Euro zusammen. Das Medienboard Berlin-Brandenburg förderte die Produktion zusätzlich mit 600 000 Euro. Die Mitteldeutsche Medienförderung steuerte noch einmal 300 000 Euro bei.
Für Wolf steht deshalb fest: „Ohne solch eine Unterstützung wäre die Hälfte der Filme nicht bei uns gelandet.“. Filme könne man heutzutage überall drehen. „Man ist keinesfalls mehr auf Originalmotive angewiesen.“Auf internationale Kinoproduktionen angewiesen
Gleichzeitig betont der Pressesprecher aber natürlich auch, die Kapazitäten des Filmstudios, die solche Projekte überhaupt erst ermöglichen. 2004 wurde die bisherige Größe noch einmal auf 25 000 Quadratmeter verdoppelt. So gibt es in Babelsberg heute insgesamt 20 Studios, die allein für Kinoproduktionen genutzt werden.
Drei große Projekte können hier parallel gedreht werden. Wie viele internationale Filme pro Jahr den Weg nach Babelsberg finden, hängt aber immer auch von der Größe der Projekte ab. So waren es 2007 gleich zwölf Filme, 2011 wurde mit „Der Wolkenatlas“ hingegen nur ein Film umgesetzt.
Neben den internationalen Größen lässt sich aber auch immer mehr die deutsche Filmriege in Babelsberg nieder. So wurden zuletzt „Rubbeldiekatz“ und „Russendisko“ mit Matthias Schweighöfer sowie die neue Helmut-Dietl-Komödie „Zettl“ hier produziert. „Viele denken, Babelsberg ist gleich Hollywood, aber auch immer mehr deutsche Filme kommen zu uns“, sagt Eike Wolf. „Das freut uns sehr, denn genau dafür wurde das Studio einst gebaut.“
Auf die deutschen Streifen will man also nicht verzichten. Allein mit ihnen könnte sich das Filmstudio aber nicht finanzieren. „Wir sind auf große Kinoproduktionen ausgerichtet. Wir sind deshalb abhängig von den internationalen Filmen“, so Wolf.
Die bringen vor allem eines mit – ein weitaus größeres Budget als ihre kleinen deutschen Geschwister, die meist immer noch der hohe Preis einer Studioproduktion abschreckt. Dennoch bietet sie viele Vorteile. So muss die Crew bei der Set-Suche keine Abstriche machen und ist auch nicht den äußeren Einflüssen ausgeliefert. „Es ist schon ein Unterschied, ob ich in Berlin eine ganze Straße für einen Dreh sperren muss, sie leer räumen und mir die Genehmigung einholen muss oder einfach unser Set der Berliner Straße nutze“, preist Eike Wolf die Vorzüge des Filmstudios an.“ Eine Produktion in Studios biete sich vor allem aber dann an, wenn der Film nach vielen unterschiedlichen Sets verlange. Das New Yorker Guggenheim-Museum in Babelsberg
Allein für „Anonymous“ von Roland Emmerich haben die Kulissenbauer 80 Sets geschaffen. „Bis zu 1500 Handwerker waren dabei im Einsatz“, so Wolf. Aber auch, wenn die Geschichte an Orten spielt, an denen nicht gedreht werden darf, können die Handwerker Abhilfe schaffen. So bauten sie für Tom Tykwers Agenten-Thriller „The International“ kurzerhand das komplette New Yorker Guggenheim-Museum nach. „Zum Schluss konnte man keinen Unterschied zum Original erkennen“, sagt Wolf stolz.
Angewendet werden beim Kulissenbau immer noch Methoden, die auch schon zu UFA-Zeiten gelehrt wurden. „Unsere sieben eigenen Kunstmaler wissen genau, welche Techniken sie anwenden müssen, damit zum Beispiel ein Boden auch wirklich wie ein Marmorboden aussieht.“ In Babelsberg sind dabei alle Handwerker, das sogenannte Art Department, direkt vor Ort. Nur eines der Argumente, mit denen Babelsberg punkten kann. „Auch in Hollywood sind viele dieser Leistungen längst outgesourct“, so Wolf. Das biete vor allem für den Workflow einer Produktion viele Vorteile.
Ein weiterer Vorzug ist die Freiheit, die die großen Filmstars in Babelsberg genießen. „Als Susan Sarandon hier gearbeitet hat, ist sie allein mit ihrem Hund Gassi gegangen und Kate Moss stand nur mit einem Bademantel bekleidet am Set“, erinnert sich Eike Wolf. Babelsberg und auch Berlin seien in diesem Punkt so ganz anders als London oder Los Angeles. „Wir müssen am Set keine Paparazzi-Zäune ziehen. Die Schauspieler können sich hier frei bewegen.“ Und auch die Potsdamer sind sehr „unaufgeregt“ was ihre Filmfabrik angeht. „Sie sind sicher sehr stolz auf das Studio, aber gehen Gott sei Dank sehr unbefangen damit um“, erklärt der Pressesprecher.Glamour erst am roten Teppich
Welche Produktionen in Zukunft geplant sind, dazu hüllt sich das Filmstudio in eisernes Schweigen. Ein weitere Ausbau, so viel kann Wolf verraten, sei aber nicht geplant. „Unsere Größe ist zurzeit ideal“, sagt er. Investiert werden soll aber wie auch in den vergangenen Jahren in kleinere Spezialstudios. So erwarb das Unternehmen eine komplette Boeing, in der Flugszenen gedreht werden können, und besitzt derzeit den größten Wassertank Deutschlands, in denen schon Wasseraufnahmen zu „Unknown Identity“ gemacht wurden.
Fest steht, auch in Zukunft wird man in Babelsberg die Kommandos „Klappe und Action!“ hören: „Am Set wird weiterhin gearbeitet, da wird gehobelt und da fallen auch Späne“, sagt Eike Wolf, der damit gleichzeitig betont, dass die Dreharbeiten nichts mit Glamour zu tun haben. Das ganze Stargehabe, das fange erst bei der Premiere am Potsdamer Platz an. Und so muss sich auch ein Quentin Tarantino in der Schlange hinten anstellen, wenn er einen Kaffee will. „Und es lässt ihn niemand vor“, weiß der Studio-Babelsberg-Vertreter. [Stefanie Ullmann]
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