Cannes ist das Mekka des Films – und des Fernsehens. Und weil das Heimkino dank neuer Streamingdienste an Fahrt gewinnt, gibt es vom nächsten Jahr an in der Mittelmeerstadt auch ein Serienfestival.
Cannes macht sich selbst Konkurrenz: Dort wo die Stars und Sternchen der Kinowelt sich im Frühling auf dem Filmfestival tummeln, wird von nächstem Jahr an nur wenige Wochen vorher im April ein internationales TV Serien–Festival starten. „Hochwertige Fernsehserien begeistern das Publikum weltweit, und viele der großen Regisseure und Schauspieler, die wir bisher nur aus dem Kino kannten, finden wir nun in diesem Genre wieder“, sagte die Festivalleiterin und ehemalige französische Kultusministerin Fleur Pellerin auf der Fernsehmesse MIPCOM in Cannes. Ähnlich wie beim Filmfestival werden dann die besten TV-Reihen untereinander im Wettbewerb stehen, in Kinos gezeigt und die besten im Rahmen einer glanzvollen Zeremonie gekürt – inklusive Promi-Aufgebot und hohem Glamour – Faktor.
Der deutsche TV-Produzent und UFA-Chef Nico Hofmann („Unsere Mütter – unsere Väter“, „Der gleiche Himmel“) ist sich sicher, dass bei diesem Wettbewerb Produktionen aus Deutschland zu den Favoriten gehören werden. Er selbst ist auf der Fernsehmesse an der Côte d’Azur zurzeit unterwegs, um ein weiteres Großprojekt anzuschieben: „München“, wo NS-Diktator Adolf Hitler 1938 mit europäischen Staatsmännern über das Schicksal Europas verhandelte. Der Dreiteiler, der voraussichtlich auf der ARD ausgestrahlt wird, hat ein Budget von 20 Millionen Euro: „Wir werden mit international bekannten Schauspielern arbeiten, die Regie wird ein deutscher Top-Regisseur übernehmen“, kündigte Hofmann an. Für die Produktion „Siegfried und Roy“ über die beiden deutschstämmigen Illusionisten in Las Vegas sollen die Dreharbeiten 2018 beginnen.
Derzeit, so brancheninterne Schätzungen, werden weltweit pro Jahr bis zu 1000 Serien neu hergestellt. Die Budgets liegen insgesamt in zweistelliger Milliarden-Höhe. Das ist auch auf der MIPCOM zu sehen. Vor allem eine deutsche Serie, die dort dem internationalen Publikum vorgestellt wurde, erregte Aufsehen: „Babylon Berlin“. Bereits im Vorfeld zur Messe kauften Sender und Videoportale aus mehr als 60 Ländern die Reihe. In Südfrankreich wurden zudem Vorbereitungen für einen Deal mit Lateinamerika getroffen.
„“Babylon Berlin“ wird als Meilenstein in die deutsche Fernsehgeschichte eingehen“, sagte die Geschäftsführerin der Film und Medienstiftung NRW, Petra Müller. Sie und andere öffentliche Einrichtungen haben die Produktion gefördert.
Der stellvertretende WDR-Fernsehdirektor Helfried Spitra zeigte sich davon überzeugt, dass nach der nach der ersten positiven Resonanz von „Babylon Berlin“ eine zweite Staffel folgen wird: „Für uns war es ein Experiment, ob zwei unterschiedliche Markteilnehmer wie ein öffentlich-rechtlicher Sender und ein Pay-TV-Sender zusammenarbeiten können. Wir möchten damit auch ein Gegengewicht zu den großen US-Videoportalen wie Netflix oder Amazon bilden.“
Dass TV aus Deutschland nicht nur bei den Serien Weltklasse besitzt, offenbarten auch die Nominierungen des International Emmy Awards für die Kinder- und Jugendprogramme, die auf der MIPCOM bekanntgegeben wurden: „Club der roten Bänder“ (Vox), „Berlin und wir“ (ZDF) sowie „Trudes Tier“ (WDR) haben Chancen auf eine Auszeichnung mit dem begehrten „Emmy Kids Award“.
Die MIPCOM in Südfrankreich zeigt, was schon bald in Millionen Wohnzimmern über die Bildschirme flimmert. Die Ware der Messe sind Fernseh- und Filmprogramme. Über 14000 Verantwortliche von Sendern, Produktionsfirmen, Programmvertrieben, Internetplattformen und Medienkonzernen aus aller Welt sind an der Strandpromenade Croisette unterwegs und bevölkern das Palais des Festivals in Cannes, um hier geeignete Programme zu suchen und zu finden.
[Wilfried Urbe]
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