Auch wenn immer mehr Filme in Studios vor Green-/Bluescreens oder LED-Stages entstehen, gibt es weiterhin Szenarien, in denen nur reale Orte das bieten, was Regisseure und Produzenten suchen. Doch was macht eine echte Location so wertvoll, und worauf achten Filmschaffende bei der Auswahl?
Die Bedeutung von Realwelt-Sets
Realwelt-Sets tragen erheblich zur Wirkung eines Films bei. Peter Jackson suchte zwei Jahre lang nach den passenden Drehorten für seine legendäre Der Herr der Ringe– Trilogie in Neuseeland – ein Aufwand, der sich lohnte. Doch warum werden Produktionen trotz moderner Technik oft an entlegene Orte verlegt? Die Antwort liegt in mehreren Faktoren:
- Atmosphäre: Ein echtes Set bringt eine authentische Stimmung, die künstlich nur schwer zu reproduzieren ist.
- Glaubwürdigkeit: Reale Orte wirken oft natürlicher als computergenerierte Kulissen.
- Schauspielerische Leistung: Authentische Umgebungen beeinflussen die Darbietung der Darsteller – Als James Cameron Titanic drehte, war das Wasser kalt genug, um Kate Winslet zu unterkühlen.
- Symbolik: Landschaften vermitteln Botschaften, etwa eine Prärie als Synonym für Freiheit oder eine enge Gasse für Bedrohung.
- Kosten: Entgegen der Annahme, dass CGI günstiger sei, kann es billiger sein, an einer realen Location zu drehen, statt sie digital zu erschaffen.
Während CGI und KI immer leistungsfähiger werden, bleibt abzuwarten, ob diese Technologien On-Location-Drehs erleichtern oder langfristig ersetzen.
Auswahlkriterien für Locations
1. Ästhetik als Schlüsselkomponente
Ein Drehbuchautor hat oft eine konkrete Vorstellung vom Setting, die durch Szenenbeschreibungen festgehalten wird. Die letztendliche Gestaltung erfolgt jedoch durch Regisseur und Produktionsdesigner, weshalb das Location-Scouting oft lange dauert. Eine Location kann in verschiedenen Filmen ganz unterschiedlich wirken:
- Ein See im Wald kann als romantisches Setting, Horror-Schauplatz oder Schlachtfeld genutzt werden.
- Zieht man Casinos als Beispiel heran: Einige davon gehören zu den spektakulärsten und größten ihrer Art. Das heißt aber nicht, sie könnten im Film ausschließlich als Casino fungieren. Sie können nicht nur als Spielstätten, sondern beispielsweise auch als Villen oder Firmenzentralen dienen.
Besonders knifflig wird es, wenn ein spezieller Look gefragt ist. So musste für viele Einstellungen der Erfolgs-Serie Babylon Berlin eine Location gefunden werden, die exakt dem Stadtbild der 1920er entsprach.
2. Logistische Erreichbarkeit
Je größer eine Produktion, desto wichtiger wird die logistische Machbarkeit. Dies umfasst:
- Transport: Entfernung und Zugänglichkeit der Location für Crew und Equipment.
- Infrastruktur: Unterkünfte und Versorgung vor Ort.
- Drehdauer: Ist der logistische Aufwand für den Anteil der Szenen im Film gerechtfertigt?
Ein Beispiel ist Inglourious Basterds, der komplett in Deutschland und Tschechien gedreht wurde. Trotz der vergleichsweise guten Infrastruktur war der Dreh aufwendig, da das Team aus den USA eingeflogen werden musste.
Viele Filme, die in arktischen Gebieten spielen, werden in Alaska oder Kanada gedreht, da echte Polargebiete zu schwer erreichbar sind.
3. Witterungsverhältnisse
Wetterextreme können Dreharbeiten erheblich erschweren. Apocalypse Now wurde auf den Philippinen gedreht, weil Vietnam nicht zugänglich war – jedoch zerstörten Stürme mehrfach die Sets.
Selbst weniger dramatische Faktoren beeinflussen die Planung:
- Eine Herbstszene mit kahlen Bäumen und Regen ist in Los Angeles schwer zu realisieren.
- Wüstenszenen sollten außerhalb der heißesten Sommermonate gedreht werden, um die Bedingungen für Cast und Crew zu verbessern.
4. Genehmigungen und Einschränkungen
Manche Drehorte sind wegen Umwelt- oder Denkmalschutzauflagen tabu. So durfte Cliffhanger nicht in den US-Rockies gedreht werden, da die Umweltbehörde keine Genehmigung erteilte. Die Crew wich daher auf die italienischen Dolomiten aus.
Auch Los Angeles ist trotz Hollywoods Nähe als Drehort unbeliebt geworden – teure Genehmigungen und strenge Auflagen erschweren Produktionen erheblich. Zudem kann die Aufmerksamkeit durch einen Drehort problematisch sein. Nach The Beach wurde die Insel Ko Phi Phi Leh von einem als katastrophal empfundenen Besucheransturm überrannt, was erhebliche Umweltprobleme verursachte.
5. Budget: Die Kosten der Location
Die Wahl einer Location hängt oft vom Gesamtbudget des Films ab. Faktoren sind:
- Blockbuster vs. Indie-Film: Großproduktionen haben höhere Budgets für Locations.
- Schauspielergagen: Ein Starbesetzter Film hat weniger Spielraum für teure Drehorte.
- Studio vs. echte Location: Ist es günstiger, einen Ort nachzubauen oder vor Ort zu drehen?
- Relevanz: Wie wichtig ist der Drehort für die Story?
Obwohl sich wirtschaftliche Faktoren auf die Entscheidung auswirken, haben Regisseure und Produktionsdesigner oft Mitspracherecht. Manchmal wird ein teurer Drehort bevorzugt, wenn er für das Endergebnis essenziell ist.
Fazit: Die Bedeutung der Location für den Film
Ein gut gewähltes Set ist essenziell für die Atmosphäre und Wirkung eines Films. Es beeinflusst Ästhetik, Glaubwürdigkeit, Schauspiel, Handlung und Kosten gleichermaßen. Trotz technologischer Fortschritte bleibt die Suche nach perfekten Realwelt-Sets eine komplexe, aber oft lohnende Aufgabe für Filmemacher.
Bildquelle:
- Babylon Berlin Staffel 4 (3): ARD