Roland Emmerich wagt die Kehrtwende: Der als Science-Fiction-Spezialist bekannte, deutsche Hollywood-Regisseur und -Produzent hat mit „Anonymus“ einen historischen Thriller gedreht.
Es geht um die Frage, ob William Shakespeare wirklich all die Werke geschrieben hat, für die er berühmt ist. Der Film startet am 10. November in den deutschen Kinos, an Emmerichs 56. Geburtstag. Im Interview mit Max Blosche äußert sich der Regisseur auch über das Schubladendenken in Hollywood.
Bisher haben Sie sich mit Ihren Filmen meist in die Zukunft begeben – jetzt geht es mit „Anonymus“ 400 Jahre zurück in die Vergangenheit. Wie kam es zu dieser Kehrtwende?
Roland Emmerich: „Ich war immer schon interessiert an historischen Stoffen. Ich lese irre viel geschichtliche Bücher oder Biografien. Ich bin eine absolute Leseratte, immer schon gewesen.“
Was hat Sie speziell an diesem Stoff interessiert?
Emmerich: „Ich habe vor zehn Jahren das Drehbuch gelesen und das hat mich einfach nicht mehr losgelassen. Ich habe da tagelang und nächtelang drüber nachgedacht. Wenn man sich in einem Genre mehr oder weniger etabliert hat, will Hollywood eigentlich, dass man keinen anderen Film macht. Da muss man sich einfach behaupten und sagen, das mache ich jetzt.“
Wodurch unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Arbeit am Historienfilm vom Drehen eines Science-Fiction-Dramas?
Emmerich: „Es hat einfach viel mehr Spaß gemacht. Wenn ich meine großen Filme mache, ist das eigentlich nicht richtig Spaß. Es dauert viel länger und da dreht man auch Tage oder Wochen nur mit Bluescreen. Schrecklich! Jeder stöhnt dann schon morgens, wenn er ins Studio geht und da ist nur eine blaue Wand und sonst nichts.“
Auf dem „Anonymus“-Filmplakat steht „Die Verschwörung wird endlich aufgedeckt“ – ganz schön vollmundig?
Emmerich: „Das ist eine Idee von Sony Pictures – nicht wirklich meine Lieblingszeile …“
Was hätten Sie denn lieber auf die Plakate geschrieben?
Emmerich: „Die hatten mal eine Line, die mir wirklich gut gefallen hat: „Ein solch großes Geheimnis kann nicht für immer gehütet werden“. Das fand ich eigentlich eine supersmarte Zeile, aber das war offensichtlich zu smart für viele Leute.“
Der Film vertritt die bekannte These, dass in Wahrheit Edwardde Vere, der Earl of Oxford, die Werke geschrieben hat, die bis heuteShakespeare zugeschrieben werden. Ist Ihnen die historische Wahrheitwichtig?
Emmerich: „Auf der einenSeite ja, auf der anderen Seite nein. Wahrheit wird immer auch einepersönliche Sache sein. Wenn sie drei Freunde über sich fragen,beschreibt Sie auch jeder in einer anderen Weise. Wenn man sich einfacheingesteht, dass es historisch nie ganz korrekt sein kann, dann weiß manauch, dass man erstmal eine gute Geschichte erzählen muss. Man musssich nur an Shakespeare anlehnen. Kein einziges seiner historischenDramen ist in irgendeiner Weise historisch korrekt. Das sagt doch alles,oder?“
Wünschen Sie sich manchmal eine andere Identität?
Emmerich:„Ja, manchmal wünsche ich mir das. Dieses Schubladendenken ärgert michtotal. Dass die Leute, wann man in einer Sache erfolgreich ist, einensofort in diese Schublade stecken. Dabei steckt das in jedem Regisseur:Du willst nicht nur eine Sache endlos machen.“
Ist der Film nicht auch eine große Huldigung an das Theater?
Emmerich: „Absolut.Ich mag Theater, wenn es lebt und es was bedeutet für das Publikum.Deswegen war das damals so viel lebendiger als Theater heute. Heutesetzen sich alle hin und da ist die Bühne und dann klatschen irgendwannalle. Das ist alles irgendwie verstaubter. Damals war das halt echtesEntertainment für die Massen.“
Vielen Dank für das Gespräch. INTERVIEWs im Überblick
[Interview Max Blosche]
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