In seinem letzten Auftritt zieht Hugh Jackman als tief gestürzter, depressiver Wolverine noch einmal alle Register. Trotz seiner Länge fesselt „Logan“ auf seiner brutalen Reise durch ein dystopisches Amerika.
Letztmalig darf der Australier Hugh Jackman im Kino als Wolverine seine scharfen Krallen ausfahren. Nebst Auftritten in den Filmen der „X-Men“-Reihe hat Jackman den auf eine Comic-Vorlage des amerikanischen Marvel-Verlages zurückgehenden Mutanten bereits in zwei Solo-Auftritten verkörpert. Wie beim Vorgänger von 2013 („Wolverine: Weg des Kriegers“) kommt auch diesmal die Regie vom Amerikaner James Mangold.
Mangold hat sich mit Filmen wie „Cop Land“ (mit Sylvester Stallone) und „Durchgeknallt“ (Angelina Jolie), vor allem aber mit seinem Blick auf die Country-Legende Johnny Cash („Walk the Line“) einen Namen gemacht. Neben Jackman ist auch der Brite Patrick Stewart als Professor X erneut dabei. Nachdem der Streifen im Februar seine Weltpremiere bei der Berlinale feierte – er lief außer Konkurrenz im Wettbewerb – startet das brutale Actionstück nun regulär im Kino.
Wolverine (deutsch: Vielfraß), der seinen ersten Auftritt als Comic-Figur 1974 hatte, präsentiert sich in „Logan“ als wankendes, dem Alkohol zusprechendes, suizidales Wrack mit grauen Haaren und geröteten Augen. Einen derart derangierten Superhelden (der zudem eine Lesebrille braucht) hat man lang nicht gesehen.
Unweit der mexikanischen Grenze muss sich Logan, alias Wolverine, um seinen Mentor kümmern, Professor X, den Gründer der Superheldentruppe X-Men. Der Professor ist noch malader als Logan und sitzt im Rollstuhl. Als eine mexikanische Krankenschwester Logan aufsucht, gewinnt der Film an Fahrt: Sie bittet ihn, sich um ein kleines Mädchen namens Laura zu kümmern, es nach Kanada zu bringen.
Dass Laura kein gewöhnliches Mädchen ist, vielmehr selbst ein mit speziellen Kräften ausgestatteter Mutant, wird Logan klar, als er die Kleine erstmals im Kampf erlebt. Laura entstammt einem Labor in Mexiko, betrieben von einer US-Firma, in dem menschliche Kampfmaschinen gezüchtet werden. Wie viel Logan und Laura gemein haben, dass enthüllt der Film auf einer spannenden Flucht gen Kanada.
Jackman, der sich bei der Berlinale wegen einer Hautkrebsbehandlung mit einem Pflaster auf der Nase zeigte, stattet seinen Logan erneut mit großer Leinwand-Präsenz aus. Bemerkenswert allerdings ist auch der Auftritt von Dafne Keen als Laura respektive X-23. Keen, Jahrgang 2005, zeigt sich erstmals auf großer Kinoleinwand. Ihr Debüt als Darstellerin gab die britisch-spanische Mimin 2014 in einer TV-Serie.
Keen ist wunderbar mit ihren ernsten Augen, die aus einem schmalen, spitznasigen und doch hübschen Gesicht blicken. Ihre Laura ist wunderbar unkonventionell; nimmt sich im Supermarkt, was ihr gefällt, muss in Sachen Tischmanieren erst lernen, was akzeptiert ist. Keens famoses Spiel jedenfalls macht Lust auf neue und junge, vielleicht gar weibliche Gesichter im von Männern dominierten Superheldenkosmos.
Auch Patrick Stewart ist toll als 90-jähriger Professor – so weise wie verzweifelt, so humorvoll wie melancholisch. Logan, Laura und der Professor wachsen auf ihrer Flucht zu einer Art Familie zusammen. Die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit ist ohnehin das eigentliche Thema dieser starken Comic-Adaption.
Mit mehr als 130 Minuten ist dies der längste der „Wolverine“-Filme. Dass der Film tatsächlich über seine gesamte Länge unterhält, ist für eine Comic-Adaption nicht selbstverständlich. Wie oft hat man in den vergangenen Jahren auf die Uhr geblickt, genervt ob all der sich unendlich hinziehenden, kaum unterhaltenden, von Explosionen und sonstigem Krach flankierten Endkämpfe.
Was nicht heißen soll, dass „Logan“ nicht brutal wäre, im Gegenteil: Der dritte Wolverine-Solofilm wartet mit manch blutgetränkter Szene auf. Jackman persönlich soll sich dafür eingesetzt haben, dass der Film in einer R-Rated-Fassung gedreht wird. Damit ist er in den USA erst ab 17, beziehungsweise nur mit elterlicher Begleitung erlaubt.
Die 127 Millionen US-Dollar, die der Film verschlungen haben soll, zahlen sich aus. „Logan“ sticht aus der Masse der oftmals mittelmäßigen Comic-Verfilmungen, die uns aus Hollywood erreichen, heraus. Und wer sich auf die, von einer mal melancholischen, mal zutiefst bedrohlichen Musik evozierte Stimmung einlässt, der wird hier vielleicht sogar Tränen verdrücken.Kinokritiken im Überblick
[Matthias von Viereck/buhl]
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