Zehn Jahre nach „Mr. & Mrs. Smith“ stehen Angelina Jolie und Brad Pitt wieder gemeinsam vor der Kamera. Wieder als Ehepaar, diesmal aber nicht nur im Film, sondern auch im echten Leben. Jolie führt im Ehedrama „By the Sea“ zum dritten Mal selbst Regie.
Elizabeth Taylor und Richard Burton haben es „Brangelina“ vorgemacht. In dem bitteren Beziehungsdrama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1966) zofften sich die Stars als frustriertes Ehepaar im Whiskeyrausch mit scharfen Worten. Die Szenen einer Ehe waren gespielt, doch Taylor und Burton waren tatsächlich miteinander verheiratet, zweimal sogar.
Nun folgen Angelina Jolie (40) und Brad Pitt (51) ihrem Beispiel, zumindest teilweise: In „By the Sea“ verwandeln sich die Hollywoodstars in die ehemalige Tänzerin Vanessa und den Schriftsteller Roland. Die Ehe ist auf dem Tiefpunkt, das New Yorker Paar flüchtet sich in eine kleine Hafenstadt in Südfrankreich. Er soll ein Buch schreiben, sie langweilt sich im Hotel. Er säuft in der Dorfkneipe, sie schluckt Pillen. Es hageln Vorwürfe, Fäuste fliegen, Tränen fließen, die Wimperntusche rinnt.
Vor zehn Jahren – minus sechs Kindern und Trauschein – taten es Pitt und Jolie schon einmal als „Mr.& Mrs. Smith“. In der Action-Komödie spielten sie miteinander verheiratete Undercover-Killer, die ein Doppelleben führen, das sie selbst voreinander verbergen. Auf der Leinwand knisterte es deutlich. Pitt war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch mit Jennifer Aniston verheiratet. Die Klatschpresse spekulierte heftig über das, was sich hinter den Kulissen abspielen könnte.
Wenig später waren Jolie und Pitt tatsächlich ein Paar. Lange ohne Trauschein, doch auf einem Weingut an der Côte d’Azur gaben sie sich 2014 schließlich das Ja-Wort. Alle sechs Kinder des Paares, drei davon adoptiert, waren dabei.
„By the Sea“ geht weit über das harmlose Liebesgeplänkel von „Mr.& Mrs. Smith“ hinaus. Und noch ein gravierender Unterschied: Diesmal gibt Jolie ihrem Film- und Lebenspartner auch Regieanweisungen. Die Oscar-Preisträgerin („Durchgeknallt“) hat das Ehedrama geschrieben, produziert und inszeniert. Es ist das dritte Regieprojekt nach dem Antikriegsfilm „In the Land of Blood and Honey“ über eine Liebe während des Bosnienkriegs und dem Kriegsdrama „Unbroken“.
Nun geht es deutlich persönlicher zu Sache. „Eigentlich waren das unsere Flitterwochen“, erzählte Jolie der „New York Times“ über die Dreharbeiten zu „By the Sea“, die gleich nach ihrer Trauung auf der idyllischen Insel Gozo vor Malta begannen. Schon nach ein paar Tagen habe sie dies als „schlechte Idee“ und als Gefahr für die junge Ehe gesehen. Sie hätten sich gestritten und enttäuscht, gute und schlechte Tage gehabt, sagte Jolie der Zeitung. „Wir haben durchgehalten, mehr übereinander gelernt, eine neue Arbeitsbeziehung gefunden und am Ende die Idee geschätzt: Ja, es ist wirklich hart, aber wir kriegen das hin.“
Bestens hat es der österreichische Kameramann Christian Berger (70, „Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte“, „Ludwig II“) hinbekommen, die harschen Szenen einer Ehe vor der romantischen Strandkulisse einzufangen. Anfangs ziehen auch Vanessa und Roland in ihren Bann. Sie stoisch unterkühlt, launisch depressiv, mit eleganten Hüten und riesiger Sonnenbrille über den rotverweinten Augen. Er kettenrauchend, mit 70er-Jahre Koteletten und Schnauzer, meist angetrunken mit Schreibblockade auf dem Barhocker.
Doch irgendwann ist man die vielen Nahaufnahmen der Stars und die Tränen in ihrem starren Gesicht satt. Woran leidet die gefrustete Ehefrau? Was treibt das Paar auseinander? Regisseurin Jolie stellt die Geduld der Zuschauer auf die Probe. Während Taylor und Burton in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ explosiv in die Abgründe ihrer Ehe mitrissen, brodelt es zwischen Pitt und Jolie an der Oberfläche. Auch eine freizügige Liebesszene in der Badewanne plätschert nur so vor sich hin.
„By the Sea“ kommt erst stärker in Fahrt, als das Paar nicht mehr nur die Blicke auf sich zieht, sondern selber zum Voyeur wird. Ein Loch in der Wand ihres Hotelzimmers gibt den Blick auf die Zimmernachbarn frei. Mélanie Laurent, die schon in „Inglourious Basterds“ an Pitts Seite spielte, und Melvil Paupoud („Die Zeit die bleibt“) mimen ein junges französisches Paar in den Flitterwochen. Erst schaut nur Vanessa heimlich zu, dann macht auch Roland mit. Dieses erotische Spiel bringt die Eheleute langsam wieder näher, allerdings für einen Preis.
Mit dem Stoff habe sie eine „riskante Wahl“ getroffen, sagte Jolie der „New York Times“. Tatsächlich zeigen die Eheleute Gefühle, Handgreiflichkeiten und dazu reichlich Haut. Dies sei kein Abbild ihrer eigenen Ehe, betont die Regisseurin. Aber Jolie lässt Rückschlüsse zu. Natürlich würden sie sich streiten, sie hätten Fehler, Tiefpunkte und Unsicherheiten. „Wir haben Probleme, Auseinandersetzungen. Wir sind zwei sehr menschliche, fehlerhafte Personen. Und ich denke, es ist gut, das zu zeigen“.Kinokritiken im Überblick
[Barbara Munker/am]
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