In seinem Regiedebüt „Dog“ erzählt Hollywood-Star Channing Tatum („Magic Mike“) von der Aussöhnung mit dem animalischen Trauma des Krieges.
„Give War A Chance“, also „Gib Krieg eine Chance“, prangt auf dem Rücken eines Buches, das Channing Tatum in diesem Film mehrfach in die Kamera hält. Und man weiß erst nicht so recht, wie dieser Ausspruch gemeint ist, ob es sich um bloßen Hohn handelt, Ironie oder ein verqueres Statement. Selbstverständlich ist „Dog“, den Channing Tatum gemeinsam mit Reid Carolin inszeniert hat, kein offensiver Aufruf zum Krieg geworden, so plump propagandistisch präsentiert man sich keineswegs. Nein, die Lage ist etwas komplizierter.
In Buchform sind allerlei Fotos, Briefe, Notizen versammelt – materialisierte Überreste einer Kriegserfahrung, die Channing Tatum, der auch die Hauptrolle spielt, studiert. Er, den „Dog“ als Gefallenen zeigt: Früher war er als Army Ranger im Mittleren Osten im Einsatz, heute verdient er einen Hungerlohn im Sandwich-Geschäft. Um noch einmal einen neuen Karriereweg einzuschlagen, nimmt Jackson, so sein Name, einen besonderen Auftrag an: Er soll die traumatisierte Militärhündin Lulu zur Beerdigung eines verstorbenen Kameraden transportieren. Daraus entspinnt sich ein Roadtrip entlang der amerikanischen Pazifikküste und alles ist dabei: erotische Wirren, Peinlichkeiten, Pannen, Selbstbespiegelungen. Zwei einander Fremde wachsen zusammen.
Erstaunlich ernste Buddy-Komödie
Das Sinnbild ist natürlich geschickt gewählt: Das ganze Zügellose, Chaotische des Krieges manifestiert sich in dieser Hündin, die auch ein Käfig nicht aufhalten kann, die bellt und jault und die Autositze in Fetzen reißt. Im Kern der Annäherung und Zähmung geht es einmal mehr um die Bewältigung traumatischer Erfahrungen, eines der großen kulturellen Themen unserer Zeit, und so schlägt diese vermeintliche Buddy-Komödie zwischen Mann und Hund immer wieder erstaunlich ernste, mitunter tatsächlich anrührende Töne an. Überhaupt zeugt es von einem gewissen schreiberischen wie inszenatorischen Geschick, wie „Dog“ zwischen Melancholie und Humor changiert, wie harmonisch beide Tonalitäten Hand in Hand gehen. Aber sind Melancholie und Humor überhaupt die richtigen Töne für diesen Stoff, das ist die viel wichtigere Frage.
Unendlich wütend müsste „Dog“ auftreten, kämpferisch, empört. Recht früh zeigt er das Hündische im Manne. Abgerichtet wird er in der Kaserne, bis er zur willenlosen Maschine, zum Befehlsbefolger verkommt, der seine Instinkte für Vaterland und Militär einzusetzen lernt. Die Folgen dessen, posttraumatische Belastungsstörungen, Todesfälle, Perspektivlosigkeit, die sind kein Zuckerschlecken, doch an ihre Auslöser wagt sich dieser Film kaum heran. Viel schlimmer noch: Krieg ist somit Teil der Norm, die die Welt von „Dog“ eröffnet, notwendiges Übel, Alltag. Mit ihm Frieden zu schließen, davon handelt „Dog“. Allein gewisse Männlichkeitsbilder geraten ins Straucheln, die sich auf vermeintlich glorreichen Taten vergangener Tage auszuruhen versuchen. Immerhin diese Möglichkeit der Subversion eröffnet das Roadmovie, aber ist damit in diesem Kontext wirklich viel gewonnen?
Fragwürdiges Empathie-Kino
In der Art und Weise, wie Tatums und Carolins Tragikomödie ihren militärisch geprägten Kosmos unangetastet lässt, ist dieser doch längst akzeptiert, geduldet. Ihre Empörung bezieht sich rein auf menschliche Ignoranz, das Unverständnis des Umfeldes. Da wird ein wenig Opferkult eingestreut, Veteranen-Verehrung, spätestens wenn der Film bei seinem Ziel, der Beerdigungszeremonie, ankommt. Um Anteilnahme, Empathie für traumatisierte Ex-Soldaten wird da geworben, als ließen sich mit etwas Gefühligkeit und Wundenlecken militärische Einsätze, Kriegsgräuel, Disziplinarstrukturen einfach wegtherapieren. Dabei müsste alles viel früher kippen.
Unterwegs fällt die Hündin einen Mann im Hotel an, da sie in ihrer Ausbildung auf rassistisch ausgemachte, äußere Erscheinungsmerkmale angesetzt wurde. Der Film verkauft das lediglich als unangenehmen, aber doch lapidaren Fauxpas inmitten eines Comedy-Szenarios. Seine Folgen sind nur von kurzer Dauer, auch hier wird ein wenig um Verständnis gebuhlt, sie kann ja schließlich nichts dafür, die Hündin. Mensch muss die Verantwortung übernehmen, aber so ist es nun einmal. Und überhaupt: Wie traurig wären denn alle, wenn dieser kleine Zwischenfall die Mission zunichtemachen würde! Mit solch naivem Geist suhlt sich „Dog“ in Menschlichkeit, wo es allzu unmenschlich zur Sache geht.
Ein Plädoyer gegen den Hund
Irgendwann geht es hinaus in raue Landschaften, Mensch und Tier in freier Wildbahn. Da schlummert ein gewisser Western-Mythos in „Dog“. Es geht ja auch hier um das Ungezähmte, Wilde, das in Kultur und Zivilisation integriert werden soll. Um dessen Erschließung, die Konfrontation mit der eigenen zerrissenen Identität, die ihren Platz in der Gemeinschaft finden muss. Um das Vordringen in die Fremde, die doch nur auf einen selbst zurückführt. Doch da sind keine wirklich neuen Perspektiven, die es zu erschließen und auszuhandeln gäbe, lediglich vage Tröstlichkeiten, um den schiefliegenden Status-quo ein wenig wohlgefälliger zu gestalten.
Eigentlich müsste in „Dog“ nicht die Geschichte einer Freundschaft erzählt werden, sondern die einer Trennung, eines konsequenten Abschieds vom Hund, in dem sich all die verheerende Kriegs-Ideologie bündelt, der man nun lediglich mit Einfühlungsvermögen und Freundschaft begegnen will. Es müsste für eine konsequente Sinnbildlichkeit alsbald eingeschläfert werden, das Tier, so drastisch es auch klingen mag! Aber dafür sieht es doch zu niedlich aus.
„Dog“ läuft ab dem 19. Mai im Verleih von Leonine Studios in den deutschen Kinos.
Bildquelle:
- dog-auto-df: Leonine
- dog-df: Leonine