Amanda Knox stand jahrelang unter dem Verdacht ihre Mittbewohnerin Meredith Kercher ermordet zu haben. Der Kriminalfall bietet Regisseur Michael Winterbottom die Hintergrundkulisse für die Verfilmung einer Midlife-Crisis eines ehemals erfolgreichen Drehbuchautors.
Es ist eine Geschichte wie aus einem Krimi. Eine junge, britische Austauschstudentin wird in Italien ermordet in ihrer Wohnung gefunden. Die Verdächtigen: ihre schöne Mitbewohnerin aus den USA und deren italienischer Freund. Das angebliche Motiv: Sex. Es folgt ein Justiz-Thriller um falsche Verdächtigungen, Vorverurteilungen und eine mediale Hexenjagd. Auch nach Knox‘ endgültigem Freispruch für den Mord an Meredith Kercher erst vor wenigen Wochen sind noch immer viele Fragen offen.
Der Fall Amanda Knox ist eine fantastische Vorlage für einen großen Kinofilm, sollte man meinen. Eine spannende Geschichte. Der britische Autorenfilmer Michael Winterbottom hat sich allerdings entschieden, diese Geschichte nicht zu erzählen – und das, obwohl er mit den „Augen des Engels“ jetzt einen Film über den Fall ins Kino bringt.
Was absurd klingt, lässt sich ganz einfach erklären: In Winterbottoms Film ist der Fall Knox ebenso Kulisse wie das italienische Siena, in das der Regisseur den eigentlich in Perugia spielenden Fall verlegt. Einer der größten Kriminalfälle der vergangenen Jahren wird für ihn zum Hintergrundrauschen in einer Geschichte über die Midlife-Crisis eines einst erfolgreichen Drehbuchschreibers und Regisseurs.
Sein Film basiert auf dem Buch „Angel Face“ der amerikanischen Journalistin Barbie Latza Nadeau und erzählt Winterbottoms eigene Geschichte – die Geschichte eines Regisseurs, der daran scheitert, aus dem Fall Amanda Knox einen Film zu machen.
Im Film heißt der Regisseur Thomas und wird gespielt von dem Deutschen Daniel Brühl („Rush – Alles für den Sieg„), der in letzter Zeit häufiger in internationalen Produktionen zu sehen ist als in deutschen. Die Journalistin, deren Buch er verfilmen will, heißt im Film Simone und wird gespielt von Kate Beckinsale („Pearl Harbor„). Mit ihr trifft der Regisseur sich, um sein Drehbuch zu entwickeln. Auch die Protagonisten Knox und Kercher heißen im Film anders. Die Szenen, in denen sie zu sehen sind, gleichen aber den realen vom Tatort und aus dem Gerichtssaal.
Thomas hat gerade eine schmerzhafte Trennung hinter sich, vermisst seine kleine Tochter und stürzt sich in eine Affäre mit Simone und kommt zeitgleich der Kellnerin Melanie (Model und Teenie-Idol Cara Delevingne) näher. In der Heimat warten die Produzenten auf sein Drehbuch, auf einen reißerischen Blockbuster hoffend.
Genau diesen aber will Thomas nicht liefern. Er, der nach diversen Drogenerfahrungen zunehmend von seltsamen Gewaltfantasien heimgesucht wird, versteift sich auf eine poetischere Herangehensweise, will seine Geschichte an Dantes „Göttliche Komödie“ anlehnen. Damit erntet er ähnliche Verständnislosigkeit wie Winterbottom mit seinen „Augen des Engels“ möglicherweise beim Mainstream-Kinopublikum.
Wenn Thomas sich immer neue Einstiege in seinen Film einfallen lässt, ist es, als beobachte der Zuschauer Regisseur Winterbottom selbst bei seinem Versuch, einen Zugang zur Geschichte zu finden. Am Ende hat Winterbottom einen. Er widmet den Film Meredith Kercher und denen, die sie lieben und verloren haben. Ein Film über die Liebe soll es sein. Eine schöne Idee ist das eigentlich. Leider wirkt sie in dem Film mit seinem um sich selbst drehenden Protagonisten nur wie eine Notlösung.Kinokritiken im Überblick
[Britta Schultejans/id]
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