Robinson auf dem Mars: In „Der Marsianer“ wird Matt Damon versehentlich auf dem Mars zurückgelassen und muss sich durchschlagen, bis er öffentlichkeitswirksam gerettet werden soll. Trotz der neuesten NASA-Technik und viel Action überzeugt die Story nur bedingt.
Regisseur Ridley Scott ist eine Kultfigur der Kinokunst. Der 77-jährige, von der Queen zum Ritter geschlagene Brite begeistert Publikum und Kritik seit Jahrzehnten in unterschiedlichsten Genres – mit Science-Fiction-Meilensteinen wie „Alien“, „Blade Runner“ und „Prometheus“, mit dem schwarzhumorigen Frauen-Roadmovie „Thelma und Louise“ oder auch dem Sandalen-Meisterwerk „Gladiator“. Immer Star-besetzt und immer in ausgefeilter Optik, bei der Scott seine besondere ästhetische Sensibilität als studierter Grafikdesigner einsetzt. Auch sein jüngstes Werk, „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ mit Matt Damon und Jessica Chastain, dürfte Fans finden, wenn auch überwiegend junge männliche.
In seiner 3D-Adaption eines Romanbestsellers des amerikanischen Software-Entwicklers Andy Weir begibt sich der Meister äußerlich wieder mal auf außerirdisches Gebiet. Denn „Der Marsianer“ ist ein Science-Fiction-Abenteuer: eine angeblich wissenschaftlich nahezu realistische Weltraum-Robinsonade, angesiedelt Millionen Kilometer entfernt von der Erde auf dem roten Planeten. Dort forschen NASA-Astronauten auf einer Basisstation, bis sie diese wegen eines Sturms plötzlich verlassen müssen.
Da der Rest der Crew glaubt, der Botaniker Mark sei umgekommen, fliegt man ohne ihn ab. Doch Mark, von Damon („Interstellar“) cool und mit grimmigem Humor gespielt, lebt. Verzweifelt versucht er, Kontakt zur Erde aufzunehmen – und mit dem Wenigen, was ihn umgibt, sein Dasein zu verlängern. Er verwandelt Wasserstoff in Wasser und lässt Kartoffelpflanzen wachsen, die er mit seinen Exkrementen düngt.
Inzwischen ist das NASA-Zentrum im texanischen Pasadena, wo Menschen verschiedener Hautfarben einträchtig zusammenarbeiten, auf den fernen Einzelkämpfer aufmerksam geworden und will ihn retten. Parallel entschließen sich auch die Astronauten unter Führung von Commander Lewis (Chastain, ebenfalls „Interstellar“), Mark in einer selbstlosen Aktion vom Mars zu holen – einer vom Rivalen China angebotenen Versorgungsrakete sei dank. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit, die via Live-Übertragungen mitbangt, kommt es so zu dramatischen Szenen im All.
Bei alldem zählen Scotts rot-glühende Landschaftsbilder, gedreht in Jordaniens Wüste, zu den Pluspunkten der aktionsreichen, von Popmusik umspülten Produktion. Hier und bei den vielen Raumfahrtaspekten lohnt sich die 3D-Technik, die den Zuschauer schon mal das Gefühl gibt, mit ins Universum zu reisen.
Frappierend platt dagegen geriet dem Regisseur das Innenleben seiner Helden. Wie einst Romanautor Daniel Defoe seinen Helden Robinson Crusoe, der als Schiffbrüchiger Jahre auf einer einsamen Insel verbringt, zeigt Scott den Astronauten Mark schlicht als Musterbeispiel eines auf sich selbst gestellten, unverdrossen erfinderischen und arbeitsamen Individuums. Als ziemlich eindimensionales Vorbild für den alten amerikanischen Traum, dass ein Jeder es trotz widrigster Umstände schaffen kann, wenn er nur die Hoffnung nicht verliert und ein Problem nach dem anderen löst.
Und wenn dann noch, das gehört hier dazu, alle Menschen, gleich welcher Rasse und Nation und welchen Geschlechts, zusammenhalten, ihre Errungenschaften und ihren Idealismus an der richtigen Stelle einsetzen – dann dürfte, das suggeriert der Film, am Ende die ganze Welt zu retten sein. Das alles ist sicher nicht falsch, aber kaum geistiges Futter für Kinobesucher, die mehr wollen als Action und NASA-Supertechnik. Da hört manch einer wohl gern, dass Regisseur Scott schon seinen nächsten Film plant – eine Fortsetzung der düsteren Sci-Fi-Story „Prometheus“ über die Suche nach dem Ursprung der Menschheit.Kinokritiken im Überblick
[Barbara Munker/am]
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