„Der blinde Fleck“: Politthriller übers Wiesn-Attettat 1980

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Eine am Eingang des Oktoberfests deponierte Bonbe reißt 1980 zwölf Menschen in den Tod, viele andere werden verletzt. Die Polizei streitet einen politischen Zusammenhang ab, doch ein Journalist vom BR ermittelt – und stößt auf ettliche Ungereimtheiten. Mit dem Politthriller „Der blinde Fleck“ kommt die Geschichte nun ins Kino.

Dass es bis heute Zweifel an Köhlers Einzeltäterschaft gibt, liegt zu einem Gutteil an den hartnäckigen Recherchen des Reporters Ulrich Chaussy vom Bayerischen Rundfunk (BR). Chaussy, der seine Recherchen auch in Büchern veröffentlichte, enthüllte Unstimmigkeiten, setzte Puzzle-Teile zusammen und warf Fragen auf – die nie beantwortet wurden. Vertreter von Opfern und Politiker verlangen bis heute die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Bundesanwaltschaft lehnte das bisher ab. Nach dem Auffliegen des NSU und seiner Mordserie ist das Thema jedoch noch einmal hochbrisant.

Der Kinofilm „Der blinde Fleck“ folgt nun minuziös Chaussys (Benno Fürmann) Spurensuche – und offenbart Verschleierungstaktiken des Verfassungsschutzes bezüglich eines mutmaßlich rechtsextremen Hintergrunds. Mit Originalaufnahmen angereichert skizziert der Politthriller Chaussys Recherchen von Interviews mit Zeugen am Tatort bis zu konspirativen nächtlichen Treffen mit einem Staatsschützer.
 
Von ihm bekommt der Reporter geheime Unterlagen – und erschütternde Informationen: Ein rechter Aktivist, der womöglich den Sprengstoff für das Attentat lieferte, begeht vor seiner Vernehmung in seiner Zelle Selbstmord. Ein Kronzeuge stirbt unter ungeklärten Umständen. Am Tatort wird eine abgerissene Hand gefunden, die keinem Opfer gehört, deren Fingerabdrücke aber im Umfeld Köhlers gefunden wurden.
 
„Der blinde Fleck“ ist mit Benno Fürmann, Heiner Lauterbach, Nicolette Krebitz und den Münchner „Tatort“-Kommissaren Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl prominent besetzt. Regisseur Daniel Harrich inszeniert Chaussy dabei als einsamen Kämpfer. Er bekommt Drohbriefe. Hat er Paranoia oder wird er auf dem Heimweg sogar von einem Auto verfolgt? Seine Frau Lise, die zuerst mit ihm sogar noch im Bett geheime Dokumente studierte, hat genug. Die Trennung droht, ausgerechnet als sie ein Kind von ihm erwartet. So wird der Film teils ein ziemlich privates Porträt, das auch Intimes nicht ausläßt. Chaussy hat das Drehbuch mitgeschrieben.

Sein Gegenspieler im Film ist der Chef des Staatsschutzes, Hans Georg Langemann. Heiner Lauterbach spielt ihn als machtbesessenen und nach oben devoten Mann, der alle Hinweise auf rechts vertuschen will. Warum? Chaussy entwirft das Szenario: Nach Fehlentscheidungen in Sachen rechts würde eine Tat gar aus Kreisen der in Bayern lange verharmlosten „Wehrsportgruppe Hoffmann“ CSU-Ministerpräsident Franz-Josef Strauß im Wahlkampf gegen Helmut Schmidt schaden. Um die Einzeltäterthese zum Schutz von Strauß zu halten, gibt Langemann Journalisten den Hinweis auf Köhler. So sind sie noch vor der Polizei in dessen Heimatort Donaueschingen, mögliche rechte Mittäter sind gewarnt.
 
„Der blinde Fleck“ erinnert eindringlich: Vieles an dem Fall bleibt verstörend unklar. Amtlich verwahrte Beweismittel, darunter die abgerissene Hand, wurden Ende der 1990er Jahre vernichtet – aus Platzmangel, wie es hieß. DNA-Analysen, die viele Verbrechen nach Jahrzehnten klärten, sind nicht mehr möglich.
 
Die Blindheit auf dem rechten Auge bleibt Thema. Die jahrelang unentdeckten Morde des NSU beschäftigten Untersuchungsausschüsse; der Prozess um den Neonazi-Terror wird noch viele Monate dauern. Auch hier gibt es die Frage: Sind die Ermittler allen Spuren nachgegangen?Kinokritiken im Überblick
[Sabine Dobel/fm]

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