„Das Beste kommt noch!“: Til Schweiger spricht sich selig

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Til Schweiger und Michael Maertens
Foto: Constantin Film

Nach „Manta Manta 2“ und seinem Produktions-Skandal kehrt Til Schweiger in die Kinos zurück: „Das Beste kommt noch!“ ist ein vergleichsweise zahmes, aber gewohnt kurioses Werk.

Ist das der Held der kleinen Leute? Til Schweiger wäre es wohl gern. Das Herz auf der Zunge, um keine Zote verlegen, etwas tollpatschig, aber dennoch mit Mission, so präsentieren sich seine Rollenentwürfe. Ein missverstandener Outsider und Beobachter, der sich rebellisch wähnt und verdrängt, dass sein Rebellentum höchstens einer rationierten Packung Schlafmittel gleicht, die das Publikum in regelmäßigen Abständen öffnen darf.

Mit zwei Werken hat Schweiger 2023 die Kinos heimgesucht. Beide offenbaren in konsistenter Weise die völlig verdrehte Selbsteinschätzung, mit der sich der Schauspieler und Filmemacher in seinen Hauptrollen in Szene setzt. Beide wirken wie Ausgeburten einer larmoyanten filmischen Midlife Crisis. Das Altern und Vergehen schiebt sich bedrohlich über den freigeistigen Gestus, den Schweigers Figuren noch vor sich herzutragen versuchen.

Schweiger dreht Klientelfilme – das dürfte mittlerweile bekannt sein. Es geht bei ihm um Filterblasen, die für das Fremde und Ungewohnte nur vertraute Formen kennen. Was bei ihm Publikumsfilm meint, ist zuvorderst ein Kino im Geiste jener, die sich bürgerliche Mitte nennen. Das bedeutet auch: Sie sind gänzlich dominanzkulturell gedacht, leben von Unter- und Überordnungen, engstirnigen Subjektverständnissen. Dazu festigen sie Konventionen, Normen, aber auch Stigmata und Ausgrenzungen. Sie ignorieren, dass sie in Wirklichkeit jeden Draht zu tatsächlich Abgehängten und gesellschaftlich Ausgestoßenen verloren haben. Spießigkeit hat hier Methode.

Foto: Constantin Film

Ein passendes Pendant zu „Manta Manta 2“

Was zählt, ist inzwischen erdrückende Weinerlichkeit, mit der man auf das Leben und Privilegien schaut. Scheinheilige Gefühle, die nicht zu sich in Distanz treten können und weder an Ursachen noch Schlüssen interessiert sind, sondern nur die ausgehöhlte, geteilte Erfahrung des Moments suchen. Ihre Emotionalität bleibt Oberfläche, Maskerade. Wie schon in „Manta Manta: Zwoter Teil“ strebt auch Schweigers Protagonist in „Das Beste kommt noch!“ in erster Linie nach Bestätigung und Absolution. Schlussendlich blüht ihm die Seligsprechung. Dieser Film ist die Beschwörung einer Legende und ihre Grabrede zugleich.

Ihr Titel – „Das Beste kommt noch!“ – erscheint dabei als einziger Witz, basierend auf einer französischen Tragikomödie aus dem Jahr 2019. Hoffnung und besinnliche Stimmung will der Film verbreiten. Zur Weihnachtszeit sollen alle in sich gehen, die Lieben und das Leben schätzen, schließlich könnte alles Glück jederzeit verpuffen. Eine filmische Streicheleinheit und Binse zum Jahresausklang, das Dessert zum Hauptgang „Manta Manta 2“. In Wirklichkeit ist dies ein weiteres unendlich freudloses, zutiefst deprimierendes Werk.

Michael Maertens, Til Schweiger und Emma Schweiger am Flughafenschalter
Urlaub mit Til und Emma Schweiger und Michael Maertens Foto: Constantin Film

„Das Beste kommt noch!“ erzählt von einer fatalen Verwechslung

Egal, ob es nach München, Dubai oder Österreich geht: Nirgends gibt es im deutschen Gegenwartskino so verlässlich hässliche und eisig kalte Bilder zu sehen wie bei Til Schweiger. Menschlichen Charakteren entziehen sie jedes Leben, jede greifbare Kontur. Sofern ihre Darsteller überhaupt Nennenswertes zu tun bekommen! Manche von ihnen gleichen eher Schaufensterpuppen, die man in der beigefarbenen Barefoot-Living-Wohnlandschaft drapiert. Mit einem Buch in der Hand, das farblich zum Oberteil passt, versteht sich.

Dabei bergen Schweigers Rollenentwürfe in ihren besten Momenten durchaus Rudimente eines subversiven komödiantischen Spiels, bevor sie hölzern vorgetragener Sentimentalität weichen. Also eines humorvollen, derb gewitzten Umgangs mit der menschlichen Existenz und Natur, aber auch mit Hierarchien und Strukturen, in denen sie sich entfaltet. Nur verirren sich seine Pointen. Schweiger mimt in „Das Beste kommt noch!“ einen eigensinnigen Draufgänger, der nach oben tritt, weil er zunächst einmal alles verliert. Sein Hab und Gut ist fort, seine jüngere Freundin ebenso. Nun begibt er sich mit seinem wohlhabenden Freund Arthur (Michael Maertens), einem als Langweiler markierten Wissenschaftler, auf eine Reise, um für Lockerheit und Genuss zu sorgen.

Letzter Roadtrip vor dem Tod

Anstoß gibt eine Verwechslung: Felix, so heißt Schweigers Figur, denkt, dass Arthur bald an Krebs sterben wird. In Wahrheit ist die Sache umgedreht. Also ziehen beide los, um noch einmal die Sau rauszulassen. Man zwängt sich unterwegs in Anzüge, um sich unter die Schickeria zu mischen, sucht die Aussöhnung mit der eigenen Vergangenheit, veralbert das steife Schauspiel in Nobel-Restaurants.

Nur enthüllen oder verkehren diese Kalauer im Drehbuch von Maggie Peren und der Regie von Til Schweiger keine gewohnten Praktiken mehr. Ihre Ideen werfen mit Dreck und faulen Beleidigungen oder albernen Wohlfühlbildchen um sich. Sie suchen keine echten Widerstände, ergeben sich allein ihrem festgefahrenen, gestrigen Denken und sterben. Man teilt gegen andere aus und ist Teil des Problems.

Randa in "Das Beste kommt noch!"
Foto: Constantin Film

Ein Film der fließenden Männertränen

In besagter Restaurant-Szene üben die beiden Männer etwa das Flirten, bevor es zur Eskalation kommt, ausgelöst durch einen Kuss. Zwischen Männern taugt dieser zum Skandalon in Schweigers Filmwelt. Im nächsten Schritt zieht sich seine Figur mit einem dreist zurückgespielten Homophobie-Vorwurf aus der Affäre. Er reproduziert gängige Narrative, die queere Offenbarungen als öffentliches Opfergebaren und Schmierentheater abstempeln, und eignet sie sich großkotzig und eigennützig an.

Wenn sich die Herren später ihre Zuneigung bekunden, schimpft man sich liebevoll „Schwuchtel“. Witze gegen Minderheiten und Benachteiligte gehen immer in Schweigers Filmen. Sie waren, zugegeben, schon schlimmer und höher frequentiert, wenn man das bereits als Qualität werten will. Zugleich zeugt die mehrfach betonte „No Homo“-Attitüde beim laufenden Bad in Männertränen erneut von tiefen Selbstzweifeln und einem ärgerlich kleingeistigen Weltbild. Es will sich noch immer nicht von einem synonymen Gebrauch von Homosexualität, Empfindsamkeit und Verweichlichung trennen.

Peter Simonischek in "Das Beste kommt noch!"
Peter Simonischek begrüßt seinen Film-Sohn Til Schweiger auf der Alm. Foto: Constantin Film

Peter Simonischeks letzter Leinwand-Auftritt

Ablenkung verschaffen die gesuchte Nähe zum Exzess, das gemütliche Kochen leckerer Gerichte oder man schimpft einmal über die grüne Smoothie-Schlotze, die die Jugend von heute vermeintlich so trinkt. Danach wird wieder geweint. Die Figuren in „Das Beste kommt noch!“ sind abgekämpfte Opfergestalten, privat und/oder beruflich Gescheiterte. Frauen bereiten ihnen Konflikte. Liebe scheinen sie nur noch in der Männerfreundschaft zu erfahren. Ihr finanzielles Machtgefälle relativiert man im gemeinsamen Krankheitsleid.

Ihre Eltern sind herzlos (der 2023 verstorbene Peter Simonischek als Alm-Öhi-Verschnitt!) oder tot. Tragisch verendet sind sie – mehrere Krebsfälle in einem Film. Alles scheint sich gegen Arthur und Felix zu wenden. Auch Slapstick als Körperhumor entsteht nicht mehr aus einer Gleichzeitigkeit von heiterer Schadenfreude und bitterer Selbsterkenntnis. Wenn sich hier Menschen die Köpfe stoßen, gegen Türrahmen rennen, Unfälle geschehen oder Möbel zusammenkrachen, regieren blanke Tristesse und Erschöpfung.

„Das Beste kommt noch!“ zelebriert den Dauersuff

Nur die kindliche Freude am Triebhaften und Ausgeschiedenen erschöpft sich nie in Schweigers humoristischem Inventar. Zwar handelt es sich um ein Spätwerk, das ausnahmsweise ohne Durchfall oder Sexpanne auskommt. Dafür verwüstet Schweiger gleich zu Beginn stöhnend eine Klobrille mit seinem gewaltigen Urinstrahl. Oh Yeah, Baby! Es gibt ja sonst nichts zu lachen, wenn allerlei biographisches Unheil geschildert wird oder man zugedröhnt im Wein- und Schnapsdunst versackt.

Die letzte Reise meint hier eine Abfolge von Besäufnissen. Man schießt sich permanent ab, interessiert sich überhaupt nicht mehr für die Welt, flüchtet aus ihr und wirft sich allein auf das Ego zurück. So, wie auch Schweigers Filme nur noch betäuben und betätscheln wollen. Klarer kann man deutsches Elend, deutsche Verdrossenheit kaum darstellen. „It’s My Life“ tönt aus den Boxen und klingt wie blanker Hohn.

Suche nach Gott in "Das Beste kommt noch!"
Foto: Constantin Film

Ein Held ersucht die Religion

Ohnehin ersetzt Musik wiederholt das gesprochene Wort, gerade wenn es um Enthüllungen geht. Dann erscheinen untermalte Gestikulation, erschrockene Blicke, Bewegungen und unbeholfene Grimassen auf der Leinwand. Man leidet und fühlt hemmungslos, um nicht in Schockstarre zu verfallen. Trösten kann die Religion und dieser Punkt kommt als Puzzleteil im Konservatismus dieses Films besonders zum Tragen: Obwohl Schweigers Felix aus der Kirche ausgetreten ist, sucht er Zuflucht beim Pfarrer, im Gebet.

Später folgt eine Beichte am Kreuz-geschmückten Grab der Mutter. Stationen einer Reinwaschung. Man denkt lange Zeit, dass sie Arthur gebühren wird, der sich für seinen Freund aufopfert, die Lüge am Leben erhält, um ihn nicht zu enttäuschen. Doch weit gefehlt! Natürlich ist es Schweiger, dem diese Ehre zuteilwird. Wer hätte das bloß ahnen können. Wenn Schweiger irgendwann, in den Alpen aufgebahrt, dem Tod in die Augen sieht – ein wenig wie Sissi einst auf Madeira – gelangt man auch inszenatorisch zu einem müden Endpunkt.

Felix und Arthur begeben sich auf eine letzte gemeinsame Reise. Foto: Constantin Film

Das Schweiger-Universum wächst zusammen

„Das Beste kommt noch!“ bleibt somit eine leere Verheißung, wenngleich ihre letzte postume gute Tat in die Zuversicht führen will. Zwar mag die charakterliche Größe und damit auch der einstige Star Til Schweiger abdanken, doch sein Erbe, seine Lektion soll uns künftig fragliches Glück bescheren. In seiner Filmographie ist derweil alles rückwärtsgewandt. Sie ist sich nicht mal mehr für aufgepfropfte Selbstreferenzen zu schade.

Elemente und Motive beginnen zu verwachsen, das wiederkehrend Gleiche und ästhetisch Bekannte will sich in einen drögen Safe Space verwandeln. Wäre es nicht so konfus, würde dabei gar nicht mehr verwundern, dass Schweiger als letzte Pointe seiner Krebs-Dramödie ausgerechnet eine Origin Story von „Manta Manta“ präsentiert.

„Das Beste kommt noch!“ läuft ab dem 7. Dezember 2023 im Verleih von Constantin Film in den deutschen Kinos.

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